Sonntag, 27. Februar 2011

Singelportals

Vorab ein Wort, denn es ist irgendwie komisch für mich, so direkt nach dem Tod eines Freundes schon wieder die satirische Keule zu schwingen:
"the Show must go on" sang Freddy Mercury und er hatte recht. Über den Tod eines Freundes hinaus, muss es weitergehen, vergessen werden wir dich nicht, Kuli!
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Es ist komisch, wenn man allein ist, auf der Suche, nach der so oft zitierten zweiten Hälfte, sich zwar vernünftiger Weise sagt, dass Suchen nichts bringt, es aber dann trotzdem tut.
Wie bei den typischen Windows 95 Bildschirmschonern schaukelt sich ein Satz durchs Bild, eckt an den Rändern an, um von da aus zurück in die Mitte geschoben zu werden. "Was tust du da?" gleitets durch den Kopf, während man sich auf der Strasse, in der Bahn, der Disko oder sonstwo umkuckt, nur um wegzuschauen, wenn Blicke erwiedert werden. Welch törichte Dummheit. Und trotzdem geschieht das immer wieder.
Und weil die Schüchternheit zu groß ist und proportional zur Einsamkeit steigt, macht Otto Normal Schreiberling etwas, wovon er sagte, dies niemals tun zu werden: er meldet sich auf diversen Singleportalen an. Ich gebe es nur ungern zu, aber auch ich verfiel unlängst diesem Trieb und ja, ich schäme mich ob dessen vor mir selbst.

Sinn und Nutzen des Ganzen nur vage ausgeschöpft, denn schreiben würde ich einer Frau, deren Bild mir zusagt eher nicht, wartet der von sich nicht Überzeugte, dass endlich einmal eine Nachricht ihn erreicht, in welcher gelobhudelt und gepriesen, eingeladen und mitgenommen wird. Aber da wartet er lange, der viel zu schüchterne Depp. Denn ist es nicht so, dass die Frau umworben werden will, dass ihr der Hof gemacht wird, man(n) sie mit Komplimenten überhäuft, bis sie sich endlich herablässt, dem Barden das Fenster zu öffnen, einen Spalt natürlich nur, gerade so weit, dass sein Gesang etwas deutlicher ins Kämmerlein dringt?!
Nun kommt es aber auch darauf an, welche textlichen Inhalte an die holde herangebracht werden, damit nicht der gefüchtete Eimer kalten Wassers über dem hofierenden Haupte ausgeleert wird, sondern sich das Fenster soweit öffnet, dass es lohnt, zumindest schon einmal darüber nachzudenken, wo man auf die Schnelle eine Leiter her bekommt.

Und genau da ist der verbietende Haken, einfach drauf los zu schreiben, Bilder zu kommentieren und private Nachrichten zu verschicken. Zu plump darf es nicht sein, überrumpeln sollte es nicht und wenn es zu kitschig ist, hat das Kommentieren auch keinen Sinn. Nun kann man von einem Bild recht wenig zur Person selbst ableiten und also fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden. Man(n) will ja weder zu denen gehören, zwischen deren Lettern man schnell erkennt, dass es sich hier nur um die Nachfrage einer schnellen, abenteuerlichen Nacht handelt, um es mal seicht auszudrücken, doch aber auch nicht zu denen, die stets Honig um die feinen weiblichen Münder schmieren und am Ende auf allen Ebenen versagen. Man will, nein, man muss in wenigen Sätzen seine Person verkaufen können und zwar so, dass das Maß an Intellekt ebenso herauszulesen ist, wie die Tatsache, ein Mann zu sein und nichts als ein Mann. Eben so, dass alles, was der ins Auge gefallenen Frau schmeicheln könnte nicht zu übertrieben schleimig rüberkommt.
Also sitzt man da, die Finger auf der Tastatur und überlegt... und überlegt und... entscheidet sich dann doch für den "Zurück-Button".

Angeschrieben wird man von den schönen, von den intelligenten Frauen nicht. Das behalten sich die Dicken und Dummen vor. Wenn ich in einem Gesicht schon die geistig sparsame Erziehung sehe, und dann lese, was ich so alles geschrieben bekomme, will ich eigentlich nur schreien, denn zum Lachen ist mir da selten zumute, frage ich mich doch, was diese Person veranlasst, gerade mir zu schreiben. Sehe ich wirklich so bescheuert aus? Offensichtlich schon, denn wenn ich Sätze erhalte wie: "hey ja gute frage hihi ne suche immer neue leute zum schreiben und spass zu habe nicht den spass looooool" und dahinter noch zwei dämliche Smiles, und das nur auf die Frage hin, wie ich zu der Ehre komme, in die "Freundesliste" aufgenommen zu werden -und das auch noch frecherweise völlig ungefragt und ohne irgendeine Nachricht vorab- dann fühle ich mich in Ehre und Aussehen noch stärker reduziert als zu jenem Zeitpunkt, als ich mich auf dem Portal anmeldete.
Noch eine Nachricht von diesem offensichtlichen Mitglied des niedrigen Bildungsstandes verkrafte ich nicht, weswegen ich dann auch nicht mehr antwortete. Und sei das die letzte Frau auf diesem Planeten, ich würde mir wohl lieber einen Hund holen, oder einen Hamster.

Da klicken eintausendeinundreißg Menschen auf mein Profil und ein einziger Kommentar wird verfasst. Ich schreibe der, etwas ,auf die Breite gesehen, größeren Frau und erhalte promt eine Telefonnummer. Das geht ja schnell, denke ich und will mich noch irgendwie um ein sofortiges Telefonat drücken, doch stoße ich auf Nichtakzeptanz die sich mit meiner Neugier paart und also klingelt mein Handy, nachdem ich eine kurze SMS geschickt habe. Am liebsten hätte ich gleich wieder aufgelegt, denn was da am anderen Ende aus einem Halse kratzt, der wohl mehr Whiskey als Sauerstoff sieht, sächselt auch noch so erbärmlich, dass ich Schwierigkeiten habe, zuzuhören. Und eigentlich will ich auch gar nicht zuhören, denn was mir -wohl gemerkt beim aller-allerersten Telefonat- hier erzählt wird, sprengt den Rahmen meines Verständnisses von Privatleben und gewisser gewahrter Anonymität.
Innerhalb einer Stunde erfahre ich so ziemlich alles aus zweiunddreißig Jahren gelebter Naivität. Ich höre Namen von Personen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, mir präsentiert jedoch, als kenne ich sie alle. Alle! Ich weiß nun, was die Tochter gern sieht, wo sie schläft, wie Madame Mutter Klöße kocht und wann und für wen und überhaupt. Ich will schreien "DAS INTERESSIERT MICH DOCH ALLES GAR NICHT IM GERINGSTEN!" aber ich habe Anstand, lege das Telefon beiseite und sage nur hin und wieder "ja... aha... hm... ok" Scheint nicht aufzufallen, denn das Gekrächze nimmt ungebremst seinen Lauf.
Auch nach dem dritten Versuch, selbst einmal zu Wort zu kommen, nur um zu sagen, dass ich langsam mal auflegen muss, scheitere ich, bis ich jenen, eben erwähnten Anstand kurz beiseite lasse und etwas lauter das Gespräch, nein, den Monolg, unterbreche, ihr, oder stimmlich betrachtet eher ihm, ins Wort falle und sage "Hey, sorry, aber ich muss noch duschen und wir telefonieren ja jetzt auch schon eine Stunde..." Die Antwort -gleich einem erneuten Schwalle Wasser- folgt auf den Fuß und macht mir Angst, denn sie will "morgen wieder anrufen".
Sie tat es nicht. Und irgendwie bin ich erleichtert.

Ob ich weiterhin dem Portal eine Chance gebe, mich in die Erfolgsstatistik vermittelter Partnerschaften aufnehmen zu können, weiß ich zur Stunde noch nicht, denn ich denke, selbst wenn ich noch vier Jahre angemeldet bleibe, werde ich wohl nicht soweit voranschreiten.
Ich denke, es ist besser -und am Ende wird es sicher auch so werden- die althergebrachte Variante des sich kennen lernens zu nutzen, zumal ich davon ohnehin überzeugter bin, als von diesem Markt sich anbidernder, frustrierter Personen, die meinen, das große Glück finde seinen Beginn in der Betrachtung eines Fotos.

In diesem Sinn, Prost!

2 Kommentare:

  1. Die Wegpunkte deiner Odyssee kommen mir verdächtig bekannt und schön in Worte gepackt vor.

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  2. Ja, leider bin ich da kein Einzelfall... ;) Danke für den Kommentar!

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