Samstag, 31. Dezember 2011

Jahreswechsel

Brimborium Brimborium
des Wahnwitz feist Lakai geht um
Pyrotechnik, Alkohol
Narretei, das weiß man wohl

Raketen, Knaller, Batterien
auf dass die bösen Geister fliehen
die "wir" doch selbst heraufbeschwören
weil "wir" auf Gute auch nicht hören

Dazu den brauchgerechten Rausch
zelebriert zum Zahlentausch
Kalendarisch ist ein neues Ende
Der Anfang ohne eine Wende

Das greise Jahr kapituliert
Wo hats den Menschen hingeführt?
Klüger wurd' er wieder nicht
noch immer stets darauf erpicht...

...des Nachbarn Hab und Gut zu neiden
deshalb Verzicht korrekt zu meiden
Übertreffen - Übermaß
an Haus und Auto; Luxusfraß

Krieg, Verderben, nicht besinnen
Macht und Markt hoch hinter Zinnen
geifernd sich die Finger lecken
Derweil die Menschen drunt verrecken

Neues Jahr zweitausendzwölf
auf dass die Mutter uns nun helf
auf dass der Mensch doch bald erwacht
Und diesem Spiel ein Ende macht

Auf dass wir alle bald begreifen
wir müssen durch uns selber reifen
Geister und Natur erkennen
Das Fehl bei seinem Namen nennen:

Die Götter sind nur dem auch hold
der Respekt und Achtung zollt
Der Natur und Menschsein ehrt:
Der lebt nimmermehr verkehrt!

Donnerstag, 7. April 2011

Menschen, Tiere und der Frühling römisch 2

Hatte ich da etwa den viel zu großen Rand, einen zweiten Teil von "Menschen, Tiere und der Frühling" zu versprechen? Gut war das nicht, denn nun sitze ich schon seit geraumer Zeit vor der weißen Seite und sinne nach Beginn und Ende, von der Mitte ganz zu schweigen und weiß verdammt noch eins nicht, wie ich das nun bewerkstelligen soll. Aber da es heißt "Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen" -das zumindest würde meine Tochter jetzt sagen- und ich mir für dieses Jahr mehr vorbildliches Verhalten vorgenommen habe, muss es ja sein und also versuche ich, den Anschluss zu finden an das Grauen im Hallenser Zoo.

Ich könnte noch berichten von dem Verzicht auf Essen, trotz zweier, im Duett knurrender Mägen, die den anmutenden Raubkatzen vor ihrem Gehege sicherlich imponiert hätten, da sie dem Gebrüll der ihren in nichts nachstanden. Und das alles nur, weil wir uns nicht dem vor dem Imbiss eins A aufgestellt wartenden Mob anschließen wollten, das Kindsgebrüll und das der genervten Eltern zu ignorieren versuchend, denn es wäre mit Sicherheit schlicht beim Verusch geblieben, der in einem Nervenzusammenbruch gegipfelt wäre.
Vadder giftet Mudder an, weil er zu Gunsten der soeben mit Zicklein quälen beschaftigen Balges und seiner Zufriedenheit herstellenden Sättigung mittels Pommes und fadem Schnitzel auf sein Bier verzichten muss, da der staatsgespendete Klingelbeutel nur noch Essen für drei und die Bahnfahrt zurück in die Kate im Budget hat, Oma Horst stampft ihren ihm vom Schicksal zugemuteten Pantoffelheldenanhängsel verbal in den sandigen Boden, weil der wie immer ningelnd sich nicht entschieden kann, ob nun nur Fleisch oder eben auch die Pommes Frites aus dem ehemaligen Feindesland und seines Zeichens Herberge seiner Kriegsgefangenschaft -Belgien-, denn wo käme er hin, zuzugeben, dass ihm die Kartoffelstäbchen doch eigentlich ganz gut schmecken. Und zwischendrin immer die diktatorischen Befehlsrufe viel zu genervter Eltern, die es justament bereuen, "jemals Kinder in die Welt gesetzt zu haben".
Kaum eine Minute brauchte es zu entscheiden, das Essenfassen anderenorts zu erledigen, sprachen unseren Mägen -und uns ganz besonders- Mut zu und verließen den Hort der "es ist schönes Wetter und wir MÜSSEN ja etwas machen, ob wir wollen oder nicht" Meute.
In Richtung Ausgang schlenderten wir weniger, als dass wir zügig selbigen suchten, noch immer auf der Flucht vor Dschasssdn und Tschulieeeeeeeeen und schlimmer noch, deren Eltern, Großelter und älteren Geschwistern.
Sicher glaubten wir uns auf der Treppe vor dem Zoo, setzten uns, atmeten auf und zogen genüßlich an unseren Zigaretten. Gleich sollte auch die Bahn kommen, die uns endgültig vom Wahnsinn dieses Tummelplatzes allerlei dummer und aufdringlicher Menschen und Menschinnen befreit. Allerdings entschieden wir uns ganz schnell um, warteten dann doch auf die nächste Tram, denn die Mischung aus der Kelly Family und den Flodders schob sich drohend, brüllend und heulend an uns vorbei und fand an der Haltestelle ihr Zwischenziel. Verzweifelt und den Tränen nahe blieben wir also sitzen, betrachteten uns dann doch in viel zu dicke Menschen in viel zu engen Gewändern, den nächsten Schub schon jetzt die Faxen dicke habender Klein- und Großfamilien, die nun in Scharen das arme Getier in den Käfigen hinter uns heimzusuchen gedachten.
Die Zeit schlich und ein großes Aufatmen war, als unsere Bahn kam, die zu unserer Freude und Erleichterung eher leer blieb, uns nach Hause brachte, wo wir erschöpft in unser Bett fielen.

Mein Fazit an dieser Stelle lautet: gern nocheinmal Zoo in Halle, wenn aber, dann an einem verregneten Wochentag.
In diesem Sinne: Prost!

Mittwoch, 6. April 2011

Menschen, Tiere und der Frühling

Menschen, Tiere und der Frühling

Der Frühling kündigt sich an in diesen Tagen. Und das tut er so ausgezeichnet, dass man fast geneigt ist, zu vergessen, wie lang und kalt der Winter war. Als ich am vergangenen Wochenende dem warmen Wetter nur in Shirt und Hemd gekleidet, der Sonne frönte, fiel es schwer, mir in Erinnerung zu rufen, dass noch vor zwei Wochen Minusgrade eine derartige Bekleidung den Aufenthalt an der so genannten frischen Luft arg unangenehm gemacht und zu schweren grippalen Infekten geführt hätten.

Da ist es kein Wunder, dass die werte Dame an meiner Seite und ich nicht die einzigen waren, die auf die Idee kamen, das schwer verdiente Geld sinnvoll zu investieren, indem wir uns eine Eintrittskarte für den Hallenser Zoo leisteten, um dort Wetter, Sonne und morgendliche Wärme gemeinsam mit allerhand Getier zu genießen.
Wofür wir allerdings am Ende wirklich Eintritt zahlten, wurde uns mit fortschreitender Zeit immer schleierhafter und es fiel zunehmend schwerer, die eigentlichen lebendigen "Exponate" hinter den Scheiben und Gittern, Mauern und Volieren von denen zu unterscheiden, die sich auf den Wegen und Plätzen davor tummelten. Ich wusste zeitweise wirklich nicht, wem mein betrachtendes Interesse mehr galt und wem es mehr Geltung zu schenken hieß.
Da haben wir uns schon kluger Weise recht früh aufgemacht, nicht in den Trubel des Pöbels zu gelangen, waren in den späten Morgenstunden bereits am Einlass und sahen uns mit nur wenig Exemplaren des menschlichen Mobs konfrontiert, atmeten auf und freuten uns ob dieser Tatsache. Doch wie sagte einst ein kluger Mensch? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben! Und es musste nicht erst Abend werden, festzustellen, dass dieser Spruch eine elendige Richtigkeit innehat.

Noch relativ ruhig ging es zunächst vorbei an beschuppten Lebewesen, die direkt neben mir, nicht getrennt durch Glas und Gitter, ich lieber nicht wähnen mag. Krokodile und Alligatoren lagen, wo sie lagen, störten sich weder an Kindsgebrüll noch daran, ständig begafft zu werden.
Und plötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, begann das Grauen. Eine mittlere Großfamilie betrat das Tropenhaus. Eine der Sorte, die man schon weitem hört und der Fluchtinstinkt sich sofort einstellt. Eine der Sorte, denen man ansieht, dass es hier mit Intellekt nicht weit her ist und die auch die dritte Generation eher geistig sparsam erzieht.
Ein Beben und Grollen durchfuhr die feuchtwarme Idylle und der Wahnsinn nahm seinen Lauf. Lautstark wurden Kinder in einem fort zur Raison gerufen, was ohnehin nicht viel nützte, denn die indirekt antiautoritäre Erziehung erlaubt es dem kindlichen Individuum nicht, dem, was Mutti und Vati, Omi und Opi da schreiend befehlen, Folge zu leisten.
Indirekt antiautoritär deshalb, weil zwar in militantem Rufton alles diktiert aber das Zuwiderhandeln konsequenzlos bleibt, sehen wir davon ab, dass der Geräuschpegel sich in Unermessliches zu heben vermag, beim Auftun der Dekrete.
Modische Namen wie Justin oder Jouline, die der gemeine Sachse auszusprechen eher unvermögend ist, bekommen dann einen ganz besonderen Klang, wenn es aggressiv gebrüllt zum Beispiel heißt: "Dschassssssdnnnn... geh weg von das Geländer, da sinn Grogodiläääää!" oder "Tschuulien, wennde jetzä nich uffhörst midd dänn Gequägle, griggsde noachn gee Eis!"
Mir dreht sich der Magen um und wir beschließen, das Betrachten der Reptilien vorerst bleiben zu lassen, obschon ich schon neugierig bin, ob der ningelnde Rotzlöffel nicht doch beim Versuch, sich über das Geländer zu lehnen, vorn übergestürzt dem Tierpfleger die Fütterarbeit für heute abnehmen konnte.

Aber auch gestandene Erwachsene vermögen es, dummes Zeug zu reden, als gäbs kein Morgen. Mit dem Wissen -eigentlich... sofern man ein gewisses Denkvermögen voraus setzt- sich gehörig zum Vollhorst zu machen, stehen da der Menschen vier, gut gekleidet und augenscheinlich nicht zur Gattung der Dummen gehörend, vor der Raubvogelvoliere und beäugen fasziniert den Geier, der sich da über das ihm soeben kredenzte Stück Fleisch hermacht.
Sie, etwa Mitte Zwanzig, im Arm einer Freundin selben Alters, findet den "stabilen Stand" des Vogels äußerst imposant. "Kuck doch mal, wie stabil der da steht. Der hat wirklich einen stabilen Stand. Das kommt auch so aus der Hüfte!" weiß sie zu erklären und schwenkt dabei die ihre als hätte sie jüngst einen Bauchtanzkurs für Anfänger absolviert. "Jaha, meint Mutti, oder Schwiegermutti, oder was auch immer "das stimmt. Ich mag ja eigentlich Geier, aber die Hälse finde ich eklig!" Na wie bitte? Die gute Frau ist Mitte-Ende sechzig und ich frage mich, wann sie das letzte Mal vor einem Spiegel stehend, sich kopfabwärts betrachtet hat?! Da ist der Hals dieses Geiers, ja, jeder Truthahnhals eine Augenweide dagegen. Aber Mensch hasst ja bekanntlich oftmals das an anderen Individuen am meisten, was ihn selbst an sich stört.
Erneut donnert und grollt es und Familie Harzt IV schiebt sich, Dschasssdnn und Tschuuulien als Spähtrupp, schreiend und aggressiver als noch eben, an uns vorbei. Mir will das Stück Apfel im Hals stecken bleiben, auf dass es bald vorbei sei, aber ich besinne mich, schlucke bitter und ungekaut, versuche wegzusehen, wegzuhören und an etwas Schönes zu denken.

Immer wieder begegnet uns diese Familie und auch, wenn wir grundsätzlich die entgegengesetzte Richtung einschlagen, sie scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, uns auch den letzten Nerv zu rauben.
In Sicherheit brachten wir uns dann vorerst auf der Treppe vor der großen Glasscheibe, durch die man den Robben beim Toben unter Wasser zuschauen kann. Wir ließen uns nieder, ich drehte mir eine Zigarette und wollte gerade die Ruhe genießen, die wir uns schwer und panisch flüchtend verdient hatten, als sich die Sonne, die mir den Rücken wärmend beschien, verdunkelte, als kündige sich schon jetzt die doch erst für 2012 angekündigte Apokalypse an und eine bebende Stimme dem treppab rollenden menschlichen Pfannkuchen von etwa 12 Jahren in feinstem sächsisch drohte: "Wenn de jetzä nich bald wordesd, drehmor um unn gehn wiedor heeme!"
"Aber Muddie, die gommen doch nich raus!" verteidigt sich das Kind, ich drehe mich um und sehe eine Masse von Mensch, dass ich mich frage, seit wann Wale sächsisch sprechen, überlege, ob ich das Meeressäugerbecken vielleicht nicht doch übersehen habe und warum um Gottes Willen dieses arme Wesen keiner rettet und zurück ins Salzwasserbassin verfrachtet.

Also erneut flüchten, vorbei am Imbiss und den Scharen hungriger, gestresster Eltern, die in feinster Ossi-Tradition Schlange stehen, um sich und ihren Bälgern Pommes rot-weiß mit einem Zuden Fleisch zu erstehen, die Jüngsten dabei beobachtend, wie sie im Streichelzoo in direkter Nachbarschaft Schaf und Ziege quälen, vorbei an Familie Hartz IV und den nun noch nerviger quengelnden Plagen Dschasssdn und Tschuuulien, vorbei an Geierhals und Bauchtanzschülerin in Richtung rettendem Ausgang.

Der Zoo in Halle, an einem Samstagmorgen im warmen Lenz. Weniger idyllisch, aber seinen Eintrittspreis wert!

In diesem Sinne: Prost!

Sonntag, 27. Februar 2011

Singelportals

Vorab ein Wort, denn es ist irgendwie komisch für mich, so direkt nach dem Tod eines Freundes schon wieder die satirische Keule zu schwingen:
"the Show must go on" sang Freddy Mercury und er hatte recht. Über den Tod eines Freundes hinaus, muss es weitergehen, vergessen werden wir dich nicht, Kuli!
--------------------------------------------------------------------------------


Es ist komisch, wenn man allein ist, auf der Suche, nach der so oft zitierten zweiten Hälfte, sich zwar vernünftiger Weise sagt, dass Suchen nichts bringt, es aber dann trotzdem tut.
Wie bei den typischen Windows 95 Bildschirmschonern schaukelt sich ein Satz durchs Bild, eckt an den Rändern an, um von da aus zurück in die Mitte geschoben zu werden. "Was tust du da?" gleitets durch den Kopf, während man sich auf der Strasse, in der Bahn, der Disko oder sonstwo umkuckt, nur um wegzuschauen, wenn Blicke erwiedert werden. Welch törichte Dummheit. Und trotzdem geschieht das immer wieder.
Und weil die Schüchternheit zu groß ist und proportional zur Einsamkeit steigt, macht Otto Normal Schreiberling etwas, wovon er sagte, dies niemals tun zu werden: er meldet sich auf diversen Singleportalen an. Ich gebe es nur ungern zu, aber auch ich verfiel unlängst diesem Trieb und ja, ich schäme mich ob dessen vor mir selbst.

Sinn und Nutzen des Ganzen nur vage ausgeschöpft, denn schreiben würde ich einer Frau, deren Bild mir zusagt eher nicht, wartet der von sich nicht Überzeugte, dass endlich einmal eine Nachricht ihn erreicht, in welcher gelobhudelt und gepriesen, eingeladen und mitgenommen wird. Aber da wartet er lange, der viel zu schüchterne Depp. Denn ist es nicht so, dass die Frau umworben werden will, dass ihr der Hof gemacht wird, man(n) sie mit Komplimenten überhäuft, bis sie sich endlich herablässt, dem Barden das Fenster zu öffnen, einen Spalt natürlich nur, gerade so weit, dass sein Gesang etwas deutlicher ins Kämmerlein dringt?!
Nun kommt es aber auch darauf an, welche textlichen Inhalte an die holde herangebracht werden, damit nicht der gefüchtete Eimer kalten Wassers über dem hofierenden Haupte ausgeleert wird, sondern sich das Fenster soweit öffnet, dass es lohnt, zumindest schon einmal darüber nachzudenken, wo man auf die Schnelle eine Leiter her bekommt.

Und genau da ist der verbietende Haken, einfach drauf los zu schreiben, Bilder zu kommentieren und private Nachrichten zu verschicken. Zu plump darf es nicht sein, überrumpeln sollte es nicht und wenn es zu kitschig ist, hat das Kommentieren auch keinen Sinn. Nun kann man von einem Bild recht wenig zur Person selbst ableiten und also fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden. Man(n) will ja weder zu denen gehören, zwischen deren Lettern man schnell erkennt, dass es sich hier nur um die Nachfrage einer schnellen, abenteuerlichen Nacht handelt, um es mal seicht auszudrücken, doch aber auch nicht zu denen, die stets Honig um die feinen weiblichen Münder schmieren und am Ende auf allen Ebenen versagen. Man will, nein, man muss in wenigen Sätzen seine Person verkaufen können und zwar so, dass das Maß an Intellekt ebenso herauszulesen ist, wie die Tatsache, ein Mann zu sein und nichts als ein Mann. Eben so, dass alles, was der ins Auge gefallenen Frau schmeicheln könnte nicht zu übertrieben schleimig rüberkommt.
Also sitzt man da, die Finger auf der Tastatur und überlegt... und überlegt und... entscheidet sich dann doch für den "Zurück-Button".

Angeschrieben wird man von den schönen, von den intelligenten Frauen nicht. Das behalten sich die Dicken und Dummen vor. Wenn ich in einem Gesicht schon die geistig sparsame Erziehung sehe, und dann lese, was ich so alles geschrieben bekomme, will ich eigentlich nur schreien, denn zum Lachen ist mir da selten zumute, frage ich mich doch, was diese Person veranlasst, gerade mir zu schreiben. Sehe ich wirklich so bescheuert aus? Offensichtlich schon, denn wenn ich Sätze erhalte wie: "hey ja gute frage hihi ne suche immer neue leute zum schreiben und spass zu habe nicht den spass looooool" und dahinter noch zwei dämliche Smiles, und das nur auf die Frage hin, wie ich zu der Ehre komme, in die "Freundesliste" aufgenommen zu werden -und das auch noch frecherweise völlig ungefragt und ohne irgendeine Nachricht vorab- dann fühle ich mich in Ehre und Aussehen noch stärker reduziert als zu jenem Zeitpunkt, als ich mich auf dem Portal anmeldete.
Noch eine Nachricht von diesem offensichtlichen Mitglied des niedrigen Bildungsstandes verkrafte ich nicht, weswegen ich dann auch nicht mehr antwortete. Und sei das die letzte Frau auf diesem Planeten, ich würde mir wohl lieber einen Hund holen, oder einen Hamster.

Da klicken eintausendeinundreißg Menschen auf mein Profil und ein einziger Kommentar wird verfasst. Ich schreibe der, etwas ,auf die Breite gesehen, größeren Frau und erhalte promt eine Telefonnummer. Das geht ja schnell, denke ich und will mich noch irgendwie um ein sofortiges Telefonat drücken, doch stoße ich auf Nichtakzeptanz die sich mit meiner Neugier paart und also klingelt mein Handy, nachdem ich eine kurze SMS geschickt habe. Am liebsten hätte ich gleich wieder aufgelegt, denn was da am anderen Ende aus einem Halse kratzt, der wohl mehr Whiskey als Sauerstoff sieht, sächselt auch noch so erbärmlich, dass ich Schwierigkeiten habe, zuzuhören. Und eigentlich will ich auch gar nicht zuhören, denn was mir -wohl gemerkt beim aller-allerersten Telefonat- hier erzählt wird, sprengt den Rahmen meines Verständnisses von Privatleben und gewisser gewahrter Anonymität.
Innerhalb einer Stunde erfahre ich so ziemlich alles aus zweiunddreißig Jahren gelebter Naivität. Ich höre Namen von Personen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, mir präsentiert jedoch, als kenne ich sie alle. Alle! Ich weiß nun, was die Tochter gern sieht, wo sie schläft, wie Madame Mutter Klöße kocht und wann und für wen und überhaupt. Ich will schreien "DAS INTERESSIERT MICH DOCH ALLES GAR NICHT IM GERINGSTEN!" aber ich habe Anstand, lege das Telefon beiseite und sage nur hin und wieder "ja... aha... hm... ok" Scheint nicht aufzufallen, denn das Gekrächze nimmt ungebremst seinen Lauf.
Auch nach dem dritten Versuch, selbst einmal zu Wort zu kommen, nur um zu sagen, dass ich langsam mal auflegen muss, scheitere ich, bis ich jenen, eben erwähnten Anstand kurz beiseite lasse und etwas lauter das Gespräch, nein, den Monolg, unterbreche, ihr, oder stimmlich betrachtet eher ihm, ins Wort falle und sage "Hey, sorry, aber ich muss noch duschen und wir telefonieren ja jetzt auch schon eine Stunde..." Die Antwort -gleich einem erneuten Schwalle Wasser- folgt auf den Fuß und macht mir Angst, denn sie will "morgen wieder anrufen".
Sie tat es nicht. Und irgendwie bin ich erleichtert.

Ob ich weiterhin dem Portal eine Chance gebe, mich in die Erfolgsstatistik vermittelter Partnerschaften aufnehmen zu können, weiß ich zur Stunde noch nicht, denn ich denke, selbst wenn ich noch vier Jahre angemeldet bleibe, werde ich wohl nicht soweit voranschreiten.
Ich denke, es ist besser -und am Ende wird es sicher auch so werden- die althergebrachte Variante des sich kennen lernens zu nutzen, zumal ich davon ohnehin überzeugter bin, als von diesem Markt sich anbidernder, frustrierter Personen, die meinen, das große Glück finde seinen Beginn in der Betrachtung eines Fotos.

In diesem Sinn, Prost!

Freitag, 25. Februar 2011

Säufer an des Säufers Grab

...eigene Worte finde ich gerade nicht, auf den Tod eines "Freundes", weswegen ich meinem einzigen Vorbild und dem letzten lebenden poéte maudit dieses Gedicht entliehen habe:

SÄUFER AN DES SÄUFERS GRAB
Gerry X

Das war’s.
Der laue Frühlingswind blies
Dem sargschweren Morgen seinen Marsch;
Dampfend die Stille schwieg,
Über dem Grabfeld
Das Gefieder seinen bunten Gesang kehlte;
Der Tod trug davon seinen Sieg.
Obszönblau der Himmel strahlte;
Eine Wolke,
Einsam im lächelnden Blau,
Über die abgenagten,
Schwarz umrandeten Fingernägel
Des obelisken Baumes kratzte,
Der dort schon immer die Toten beschattete.



Der Sargverschlossene auf dem radkrummen
Leichenkarren wankte
& die Schatten
Unserer hintendrein
Wankend schreitenden Schritte
Auf dem Weg waren
Sein Leben zu bestatten.



Der Zeit,
Die noch bleibt,
Ist gewiss
Seine heitere Verzweiflung.



Er starb wie er gelebt hatte,
Ohnmächtig und zornglühend,
Unten am alten Bahndamm
Ausrangierter Entfernungen,
Mit Ratte
& Hund blutsverwandt,
Den Menschen namenlos unbekannt.



Uns bleibt, was war.
Er wie wir
Verehrt & angespie’n
Von Euch
Hurrademokraten,
Kommunikations/Aposteln,
Blanko/Liberalen,
Pragmaten.



Ein Mensch über den Menschen hinaus,
Versoffen -
Ein Säufer -
JA!
Er wollte alles sein -
Des Abgrunds Höhe & Tiefe
& er war alles -
Das Blech, das erwachte
Als grell blecherne Posaune.



Dass der Tod ihn wollte …?
Wer will es dem Sensenmann missvergnügen?
Da die Hurra-Lebenden
Ihn doch nicht mochten wollten
… so abgründig versoffen,
Tief in sich verschlossen,
Immer sich selbst vorneweg,
Unerreichbar auch für sich selbst.
DA! Schaukelt er
Wieder vorneweg,
Sargverschlossen
Auf dem rad-eirigen Karren.
Bunt der Gesang der Vögel,
Dunkel die Stimme des obelisken Baumes,
Ketten rasseln den Sarg ins Grab.
Wir warteten …
Bis der Bagger kam,
Zu schaufeln Erde
Auf sein Grab.
Wir taten, was wir konnten,
Pflanzten in des Grabes Erde
Trockene Tränen.



Nun er war
Des Todes Posaune.



Hic Rhodus,
Hic Salta!

Montag, 14. Februar 2011

Nietzsche hatte Recht!

In letzter Zeit überkommt mich ja schon ein Brechreiz wenn ich glückliche Paare über die Strasse schlendern sehe. Egal was man tut, überall ist man konfrontiert mit dem ewiglichen Geliebe anderer und dessen Ausdrücken, die jedem, aber auch jedem im Blickfeld dargeboten werden müssen. Wenn ich manche Leute in ihrer holden Zweisamkeit an Bushaltestellen, auf Bürgersteigen, Wiesen, an Seen, in Parks, in Läden, Kinos -kurz: in der Öffentlichkeit- sehe, wie sie sich gierig die Zungen in die Hälse stecken, sabbernd dem jeweils Anderen zeigen, wie sehr sie ihn oder sie doch lieben, frage ich mich manchmal, warum sie eigentlich noch an sich halten, sich nicht Hemd und Hose vom von Lust benässten Körper reißen und ihren wilden Koitus direkt hier, vor den Augen des Mobs vollziehen.

Einen wesentlichen Unterschied macht es doch dann nicht mehr, wenn er seine Hand unter ihre Bluse schiebt und damit den Augen der (Un-)Beteiligten, Körperteile freilegt, die doch eigentlich nur seinem Auge bestimmt sind.
Oder sie, die ihre Hand unter die Hose des Geliebten schiebt, um dem männlichen Gesäß eine ordentliche Massage zu verpassen und dabei, versehentlich oder nicht, das Maurerdekoltee präsentiert, das ohnehin keiner sehen will.
Dann macht es doch auch nichts, wenn gekonnt die restlichen Kleider fallen und mensch im Adamskostüm dem biblischen Spruch der Vermehrung in Tat und Tätlichkeit nachkommt. Übel wird mir, ganz und gar und nur der Anstand verbietet, den beiden mal ordentlich die Ommen zusammenzukloppen!
Dann höre ich die übertrieben zart gesagten Bekenntnisse, meist in Verbindung mit Kosenamen wie Mäuschen, Liebling oder dem Klassiker Schatzi. Wieviel armes Getier hier mit seiner Bezeichnung herhalten muss ist kaum zu zählen.

Selbst im Alleinsein bleibt einem das Geschmalze nicht erspart, es sei denn, man verweigert sich aller Möglichkeiten der Unterhaltung. Hin und wieder aber versucht man, Langeweile und Einsamkeit mit einem Film zu vertreiben. Da sitzt man nun und wählt schon bewusst nichts aus der Sparte Romance, Liebesdrama oder typisch Hollywood Action und entscheidet sich, eben weil man keine Lust auf Pärchenscheiße hat, für einen Kriegsfilm, einen Thriller, Horror oder dergleichen. Doch scheinbar kommen Filme aller Genres nicht ohne die Sülze der Zweisamkeit und des Verliebtseins oder des Insichverliebens aus. Der ärgste, brutalste Kreigsfilm hat da die Kussszene ebenso, wie der derbe Splatter und ich frage mich laut und verzweifelt nach dem WARUM NUR???

Und an Tagen wie heute kommt man aus dem Kotzen gar nicht raus. Der 14. Februar, inzwischen weithin als Valentinstag bekannt, schwemmt auch das letzte verborgene Lieben an eine schon vom selben verkrustete Oberfläche.
Was einer der gängigsten Legenden nach um 260 nach Christus Geburt durch den Priester und späteren Märtyrer Valentin aus Terni begann, entwickelte sich, von der Kirche veranlasst, zunächst zu einem Clou der Blumenhändler und Floristen und später dann zum Verkaufserfolgsrezept so mancher Händlerbranche.
Valentin, der einen großen Blumengarten besaß, beschenkte junge Paare, die an diesem vorüber gingen mit Blumen und sah seine Aufgaben außerdem darin, Trauungen vorzunehmen. Am 14. Februar 269 n.Chr. wurde er im Zuge der römischen Christenverfolgung (wohl durch Enthauptung) hingerichtet und später durch die Kirche zum Märtyrer gemacht. Seither begeht man diesen Tag als Feiertag der Liebenden.
Klar, dass diese Story, die nicht einmal wirklich beweisbar ist, eines Tages einem findigen Blumenhändler zur Werbung diente und klar ist auch, dass eine erfolgreiche Strategie Nachahmer findet.
Und so schwappte die Begehung dieses Feiertages, der von der Kirch übrigens in den Sechziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts abgeschafft wurde, irgendwann zurück nach Europa, wo er im Mittelalter seinen Weg durch die Welt nahm und überflutet nun auch die Verrücktgewordenen hierzulande.

Auch ist der 14. Februar der Namenstag von Valentin, was soviel wie gesund, kräftig bedeutet. Man ehrt aber an diesem Tag auch die Namen Cyrillus, Josefa und Methodius. Ist eigentlich nicht erwähnenswert, wenn da nicht die Bedeutungen wären. Methodius bedeutet so viel wie "Weg der Untersuchung" und lässt ahnen, dass Doktorspiele wohl schon lange zu dem Namen Josefa, "Gott möge vermehren" führen. Passt das nicht irgendwie seltsam zum "Tag der Liebenden"? Da steckt doch eine Verschwörung dahinter. Wenn damal nicht Illuminaten ihre Finger im Spiel haben. Ich will an dieser Stelle aber nicht anfangen, nach der Zahl dreiundzwanzig zu suchen, die ich mit Sicherheit finden würde, wenn ich sie nur finden will.

Ich bleibe da lieber beim ollen Nietzsche der sagt, dass das Verliebtsein der Zustand ist, in dem die Menschen die Dinge am wenigsten so sehen, wie sie sind, hole mir ein paar Bier und trinke mir die rosa Welt wieder ordentlich schwarz, ignoriere so gut es geht die Herzchen und rosa Wölkchen, Kärtchen und Stofftierchen, Blümchen und Sträuschen und spucke jedem, der auch nur daran denkt, mir einen schönen Ichkotzdichvolltag zu wünschen in Gedanken mitten ins Gesicht.

In diesem Sinne: Prost!

Montag, 7. Februar 2011

F.U.C.K.

Ich frage mich manchmal ernsthaft, ob es Gründe für Tiefschläge gibt, die das Leben im Allgemeinen bereit hält und danach, woran es liegt, dass, wenn es dicke kommt, dann alles auf einmal aufs Dasein kloppt, als gäbs kein Morgen.

Verfluchte Ämter mit verfluchter Willkür, verfluchte Ärzte mit verflucht komischen Diagnosen, verfluchte emotionale Bewegschaft und verfluchte GEZ sowieso.

Und heute scheiße ich auf Etikette und Niveau, weil mir alles so dermaßen gegen den Strich geht, dass ich kurz davor stehe, den Nachbarn mit einem berühmten Filmzitat an der Tür zu begrüßen, nachdem er auf meinen Klingelterror endlich genervt dieselbe öffnet: "Ein Beilchen vielleicht, guter Mann? Oder eine Axt? ....... Besser eine Axt!" - und mit dieser bewaffnet dann der Ordnung hier ein Ende bereite, indem ich alles kurz und klein schlage.
Nicht genug, dass der dritte Arzt, den ich inzwischen meines geschwollenen und wirklich schmerzenden Fußes konsultiere, nach drei Mal drücken und viermal biegen, Nase rümpfend und Stirn kratzend sagt, dass das wohl eine Entzündung sei, nein... er schreibt ein Kürzel auf den ungewollten Krankenschein, das dem Doofen nichts weiter sagt, oder dem, der kein Internet hat. Ich aber habe Internet! Und nachdem Freund Googel mir sagt, dass dieser Nummern- und Buchstabencode nichts weiter bedeutet, als "Stauchung des Sprunggelenks" frage ich mich nach Kompetenz und beruflicher Berufung. Denn ich habe mehrfach gesagt, dass ich weder umgeknickt, oder mich irgendwo gestoßen habe. Aber da sitzt so ein schwarz gekleideter Assi, unrasiert und mit allerhand Klimbim am Revers, der bestimmt regelmäßig übermäßig trinkt und weiß es am Ende gar nicht mehr, was er im letzten Suff angestellt hat. Is klar Ombre Doctore!

Der Briefkasten spuckt die zweite Hiobsbotschaft aus. Gleich zwei Briefe vom Amt. Und ich freue mich schon, sie zu öffnen, denn ich warte zum einen auf meinen Bescheid, zum anderen auf einen, vielleicht endlich mal konstruktiven Jobvorschlag. Doch was mich hier erwartet sprengt den Rahmen der Erträglichkeit. Dass ich gerade mal die Miete gezahlt bekomme, sehe ich ein, da ich Verdiener bin, dass ich allerdings aus meiner Wohnug ausziehen soll, die mir erst vor zwei Monaten vom selben Amt genehmigt worden ist, der Angemessenheitsgrad also mit grünem Haken bestätigt wurde, mit der Begründung, dass sie zu teuer ist, entzieht sich all meinem logischen Verständnis. Irgendwie muss da einer ein Rad in der Größe des Eifelturms ab haben, solche Entscheidungen zu treffen. Man spielt hier mit Nerven von Menschen, die ob ihrer Situation ohnehin schon nicht mehr ganz rund laufen und das ohne Gewissen, ohne Moral und ethischer Kompetenz. Ich war noch nie einer dieser "Bärmler", die sich über alles und jeden aufregen und einen halben Kollaps kriegen, wenn sie das Wort Harzt IV nur hören und dann ausschweifend dumme Monologe beginnen, die, begleitet von oralen Wasserfestspielen, hochrotem Gesicht, als hätten sie acht Stunden in der Sonne gelegen und Schlagadern am Hals, so dick wie Muttis Dildo, nichts anderes zum Inhalt haben als: Alles scheiße! Nein, zu solchen gehöre ich mit Sicherheit nicht und ich habe immer hingenommen, akzeptiert und toleriert, aber nun platzt auch mir der Kragen, mit welcher Methotik und auf welchen Basen die Brüder und Schwestern auf ihren hohen Rössern agieren. Mir kommt das Kotzen und ich würde mich liebend gern in die nächste Bahn setzen, dort hin fahren und mir die zuständige SACHBEARBEITERIN zur Brust nehmen. Allerdings habe ich noch moralische und ethische Vorlagen und bleibe deshalb hier.

Und obendrein liegt da noch der grüne Brief der Gebühreneinzugszentrale Köln. Wie viele Radios haben Sie? Wie viele TV Geräte haben sie? Wie viele Autoradios haben sie? Haben sie einen Internetfähigen PC, ein WAP- Fähiges Handy? Antworten wie folgt:Wechseln Sie ihre Unterwäsche täglich? Haben Sie Geschlechtskrankheiten? Darf ich Ihre Mutter vögeln? Ich hoffe inständig, dass albsald einer dieser Schmutzfinken hier eine Besichtigung machen will. So schnell hab ich den Schlüssel noch nie aus der Tasche, und die Wohnungstür von innen zugeschlossen, nachdem ich höflichst Kaffee und Kuchen angeboten habe! Und man wird mich betteln, wieder gehen zu dürfen.

Emotionales Gejammer will ich an dieser Stelle nicht auch noch von mir geben, öffne mir daher das nächste Bier und überlasse euch eurem, wie ich meinem Schicksal gegenüber stehe!
Prost!

An dieser Stelle etwas Seltenes, ein Post Scritum nämlich, das besagt:
Dieses Pamphlet strotzt wahrscheinlich vor Fehlern. Das aber ist mir in meiner Rage gerade völlig egal!

Dienstag, 25. Januar 2011

...und es packt dich, ob du willst oder nicht

Och nööööö… schreits gepeinigt in mir. Da hat man schon keine privaten TV Sender und wird trotzdem von der holdesten Dämlichkeit der medialen Landschaften verfolgt. Es ist fast egal, wohin man, freiwillig oder unfreiwillig klickt, überall thronen die potentiellen Dschungelkönige und -Königinnen. Mail- Provider, zweitklassige Tagesblätter, Communities. Man kommt einfach nicht drumrum.
Eben schon wieder. Auf der Suche nach aktuellen exregionalen Nachrichten, also Geschehnissen, die sich in der alten Heimat zutragen, schaue ich hin und wieder beim Tagesblatt OTZ vorbei, auch, wenn der Gedanke daran eigentlich schon sinnfrei ist, ob der Güte der Zeitung.
Macht aber insofern nichts, als dass ich wenigstens strukturell unterrichtet und also im Bilde bin, was der Saale-Orla-Kreis so treibt, mit seinem bunten Häufchen Bewohnerschaft.
Doch bevor ich auf die Lokalbereiche Zugriff nehme, sehe ich mir stets die Titelseite der Onlineausgabe an. Und was sticht mir zu allererst ins Auge?

„Sarah Knappik hat das Dschungelcamp verlassen!“

Na fein! Und wer zum Geier ist Sarah Knappig?
Und warum verlässt sie das Sprungbrett in die zweite Chance ihrer Karriere. Was auch immer sie gemacht hat, bevor sie sich gezwungen sah, durch den Auftritt zwischen Insekten, Schlamm und toten Bäumen wieder einmal ins Gerede zu kommen?!
Ich überrede mich also, den Artikel zu lesen und erfahre, neben einer Riege weiterer mir völlig unbekannter Namen, dass die Flüchtige ein Model ist, oder war, oder sein will oder… was auch immer. Und dass sie ging, lag wohl an der Eskalation eines „Zickenkrieges“ wie man so schön sagt, der zehn Tage nach Beginn des Abenteuers seinen Höhepunkt nahm. Auch ein Psychologe -ja, ihr lest richtig, die haben da sogar Psychologen- konnte als Streitschlichter nur wenig ausrichten. Denn wenn man schon vor Beginn des Wagnisses gefragt wird, ob man im Camp ein Paar sein will, selbiges ablehnt und der Bittsteller dann plötzlich mit einer anderen Frau die Show abzieht, ist das in höchstem Maße beleidigend und/ oder greift den Stolz eines Models an, oder verletzt die Ehre einer Frau oder… weiß der Fuchs…
Fest steht, das geht aus dem OTZ Artikel hervor, dass die „Schöne“ zum Angriff überging und ausplauderte, wonach sie von dem Sänger Jay Khan (was singt der? Kinderlieder?) gefragt wurde und mutmaßt dabei offen, dass es sich beim Balz- und Liebesakt des frischen Paares nur um eine Fälschung handeln kann. Naja und wie das Leben nun einmal ist, wird der Mensch schnell zum Feind, der Harmonien einer Gruppe mutwillig zerstört. Das ist aber auch ein Drama.
Aber des einen Leid ist des Anderen Freud, auch das ist im Leben immer so. Und so hat Noch- oder schon Ex-, oder… was weiß ich, Dschungelkönigin Ross Antony jedenfalls wenigstens ein Thema und einige Exklusivinterviews mehr, bei denen er sich auslassen und die Nation zu Tode quasseln kann. Prima Ross! Nice for you! So hat wenigstens einer langfristig etwas vom Würmer kauen.
Ich frage mich nur, wer den Scheiß liest? Entweder, man sitzt vor der Glotze und zieht sich den Mist jeden Tag rein, weiß dann aber, was passiert ist und muss es nicht noch einmal zum Frühstück auf Semmel, Schrippe und Brot geschmiert, oder unter die Eier gerührt bekommen, oder man interessiert sich einen feuchten Kehricht für das Format und seine bemitleidenswerten Teilnehmer und liest den Artikel also auch nicht.
Gut, dann kommen solche wie ich und tun es ja doch, weil sie sich gezwungen sehen, ihren Senf zur Geschichte auch noch abzugeben, obschon es mit Sicherheit tausende Schreiber tausender Genres und Meinungen gibt, die sich hier bereits übergeben. Komisch, nicht wahr?


(Nachweis:
http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Sarah-Knappik-hat-das-Dschungelcamp-verlassen-843388666)

Sonntag, 23. Januar 2011

Immer wieder sonntags

Der Tag kracht mittäglich ins Gebälk und aufgeschreckt vom Gedanken zu spät zu sein, besinne ich mich. Ich muss ja gar nicht zur Arbeit. Sonntags bleibt das diversen Dienstleistern, Ärzten, Pflegern, Hoteliers und anderen vorbehalten. Nicht zu vergessen mein Pizzadealer direkt gegenüber. Der steht schon fleißig am Ofen und schwitzt sich den Sarap von gestern Nacht wieder raus.
Dennoch fällt das Aufstehen schwer. Sonntage sind wie schales Bier. Es steht und steht und keiner wagt, sich dessen zu bedienen.
Und weil Sonntage irgendwie immer öd und langweilig sind, sich kaum gestalten lassen und vor allem dann nicht, wenn herbstlich- oder winterlich graues Wetter ein gemütliches Flanieren auf den Straßen beinahe unmöglich machen, halte ich diesen Tag der Woche für den überflüssigsten.
Kaum den Satz gedacht, sehe ich die peitschenschwingende Arbeiterschaft, fest der Überzeugung, ich will ihnen den heiligen Ruhetag abspenstig machen, aber weit gefehlt. Wenn es nach mir ginge, wäre immer Sonntag, zumindest insofern, als dass man zu Recht zu Hause bleiben kann. Dann nämlich würde er nicht so herausstechen und man würde schnell merken, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, denn wo keiner arbeitet, wird auch nix hergestellt, nix produziert und verkauft. Keiner Wird behandelt, beschützt und beliefert. Kein Strom, kein Wasser, keine Heizung! Ei der Dautz, das wäre ein Fest, nicht? Wenn alles hier zusammenbricht?! Darwin hätte seine helle Freude an den Beobachtungen!
Ich schweife ab.
Denn worauf ich hinaus wollte, ist der Gedanke, an den öden Sonntag und das noch ödere Verleben desselben. Und wie ich so darüber nachdenke, fällt mir schnell die Logik ein, dass eben dieser Sonntag mit Sicherheit der Tag ist, an dem die meisten Selbstmorde verübt werden. Zumindest in den so genannten zivilisierten Ländern –die, nebenbei bemerkt, so zivilisiert gar nicht sind.
Nun macht das Aufstehen doch Spaß, denn ich habe eine Mission:
-Beweise diesen theoretischen Gedanken!
Also rinn inne Pantoffeln, Hygienepflichten abhaken, Rechner an und los geht’s.
Zunächst finde ich allerhand wissenswertes, und weniger wissenswertes zum Thema Suizid. Dass die Rate statistisch zurückging, im Laufe der letzten zehn Jahre, dass alle siebenundvierzig Minuten in Deutschland ein Mensch seinem Leben ein Ende bereitet. Alle vier Sekunden findet weltweit ein Suizidversuch statt.
Aber eine Statistik des Verhältnisses Wochentag zu Selbstmord fand ich zunächst nicht.
Indes stieß ich auf Listen berühmter Persönlichkeiten, die den Freitod wählten, weiß jetzt, was der „Werther Effekt“ ist und dass Erhängen die am häufigsten angewandte Methode ist.
Dank meiner „Adjutantin“ für Recherche, Hard- und Softwareprobleme wurde ich dann doch noch fündig. (ein Hoch auf D.S.)
Und siehe da. Ich hatte sowas von unrecht! Zu meiner Verwunderung sind es nämlich nicht die Sonntage, die den Menschen zur resignativen Endgültigkeit treiben. Auch nicht die Montage, was ja noch nachvollziehbar gewesen wäre. „Scheiße, wieder auf Arbeit. Wieder die ganzen Fressen. Und wieder den dämlichen Chef freundlich grüßen.“
Auch am Samstag wird nicht übermäßig, weil vielleicht zu viel getrunken, selbstgemordet.
Es ist der Mittwoch, an dem am häufigsten zu Seil, Gift, Rasierklinge und Co gegriffen wird. Warum? Eine wissenschaftliche Erklärung hierfür gibt es nicht. Fest steht nur, dass der untypischste Tag der Woche herhalten muss, eine solch grausame Statistik anzuführen. (Graphik und Artikel dazu :http://www.forum-gesundheitspolitik.de/artikel/artikel.pl?artikel=1602)

Auch sind es nicht, wie gedacht, die Wintermonate, in denen sich die Menschen gern umbringen, sondern der Frühling und der Sommer. Komisch nicht wahr?

Trotzdem bleibt der Sonntag für mich der deprimierenste Tag der Woche. Und weil das so ist, erinnere ich an den Churchillschen Satz, keiner Statistik zu glauben, die man nicht selbst gefälscht hat.

Freitag, 21. Januar 2011

Nachtigall ick hör dir trapsen...

http://poessneck.otz.de/web/poessneck/startseite/detail/-/specific/Jugendliche-beleidigt-Polizei-in-Poessneck-und-muss-zahlen-1630888632

Na da schau her. Da haben wir es dem Schwerstkriminellen mal wieder gegeben. Es geht ja auch nicht an, derartige Beschimpfungen über sich ergehen zu lassen, nur, weil man repressiv gegen Symbole vorgeht, die weder auf irgendeinem Index stehen, noch einen "eindeutigen Aufruf zu einer Straftat" darstellen. So nämlich wurde das Konfiszieren der T-Shirts, Buttons und Patches begründet an jenem Tag. Festnahmen, die damit einhergingen, oder, wie es in dem OTZ Artikel heißt: "kurzzeitig festgehalten", oblagen eben dieser Begründung und wenn nicht am Rande dieser Ingewahrsamnahmen erheblicher Protest entstanden wäre, hätten die Betroffenen sicherlich noch einige Stunden in der GESA gesessen.
Dass Beleidigungen an der Tagesordnung sind, bei derartigen "Veranstaltungen", ist kein Geheimnis und inzwischen durch einige TV Berichte bekannt gemacht worden.
"Kommunistenschwein" habe ich mir ebenso schon anhören müssen, wie "Kuck dir den mal an!" begleitet von einem hämischen Grinsen. Sich dem aber zur Wehr zu setzen, oder gar eine Anzeige zu erstatten mit Aussicht auf Verhandlungserfolg, ist schier undenkbar.
"Wer Wind sät, wird Sturm ernten", dieses Zitat aus dem alten Testament (AT, Hosea, Kapitel 8, Vers 7) ist weithin bekannt und trifft den Nagel immer und immer wieder auf den Kopf.
Solcherlei Repressalien erzeugen Wut und in der Rage hat mensch schnell etwas gesagt, dass völlig unüberdacht den Mund verlässt. Das ist jedem schon einmal so gegangen und ich bin sicher, auch die werten Beamten kennen solche Situationen.
Sich also wie ein kleiner Hosenmatz des Spruches wegen zu bepinkeln, als hätte Mutti schon die Herdplatte angemacht, damit das Patschhändchen mal wieder zur Räson rufend darauf gehalten werden kann, ist, meiner Meinung nach nicht nur etwas übertrieben, sondern zeugt vom unbedingten Wille, auch nur die kleinste Kleinigkeit zu finden und sie der Strafe zuzuführen. Und wenn der Pulk von verblödeten Spinnern, die nichts anderes zu tun haben, als sich auf die Straße zu stellen und zu demonstrieren, schon nicht von sich aus den verdorbenen Samstag der Herren und Damen Polizei wenigstens insofern retten, als dass diese sich stöckeschwingend ihren Frust aus dem Leibe knüppeln können, dann doch wenigstens diese kleine Genugtuung, oder? Da muss man eben ein bisschen provozieren, damit das mal was wird.
Und dann ein solches Prozedere, Staatsanwalt, Richter, Verhandlung, das am Ende mehr Geld kostet, als überhaupt an Strafe verhängt wird, ist doch mehr als absurd! Ich möchte nicht wissen, was die Bubenanzeigen wegen eigentlich Nichts den Staat und also den Steuerzahler schon gekostet haben.

Sehen wir mal davon ab, ist an jenem Tag auch eine junge Frau von Beamten verletzt worden, sodass sie ambulant im Krankenhaus behandelt werden musste. Stand davon irgendetwas zur Debatte bei dieser Verhandlung? Im OTZ Artikel wird nicht der kleinste Fetzen davon erwähnt und aus der Anzeige ist, was ja zu erwarten war, nichts geworden.
Nachtigall ick hör dir trapsen... gelle. Schnell ein zwei Anzeigen und exempeln, wozu der Staatsapparat imstande ist. Fein rumschubsen, druffkloppen und dann auf bitter verletzt machen, eines einzigen Satzes wegen, der am Ende doch nur eher geflüstert war. Aber wo das Ohr der Obrigkeit klebt, wird auch gehört, was gehört werden will. Und dann ist man als Beamter auch arg getroffen, braucht psychologische Betreuung weil das Ausüben der Tätigkeit so grausam ist. Die Gesellschaft, deren Aufgabe es ist, hinter dem Freund und Helfer zu stehen wendet sich ab, nicht einmal Mutti hat mehr Verständnis. Randgruppe Polizei. Schlimm sind die Zeiten geworden. Vielleicht sollten wir alle einmal darüber nachdenken, einen Hilfsfonds ins Leben zu rufen, um Therapiegruppen zu installieren, nach dem Modell der anonymen Alkoholiker?
Betroffener: "Mein Name ist Holger, ich bin Polizist!"
Chor: "Willkommen Holger!"
Therapeut: "Setz dich Holger. Schön, dass du zu uns gefunden hast. Erzähle uns, was dir widerfahren ist."
Holger: "Da hat mich so ein gemeiner Demonstrant 'Bulle' genannt"
Ein betroffenes Raunen geht durch die Menge. Zwei drei Teilnehmer können ihre Tränen nicht mehr halten.

Schöne neue Welt. Und mir kommt das Kotzen!!!

Sonntag, 16. Januar 2011

Nachtleben

Mal nicht ganz so kolumnistisch... aber es muss ja nicht immer das satirische Wort sein:

Keine Lust ins Bett zu gehen. Kennst du das? Du sitzt vor deinem Rechner, checkst mal hier und mal die Neuigkeiten, ziehst dir einen mittelmäßigen Film rein, schmierst dich durch die unzähligen, dafür eigentlich viel zu unwichtigen Plattformen, Foren und Communities, auf denen du, warum auch immer, angemeldet bist und überlegst dabei, ob all der Scheiß eigentlich einen Sinn hat.
Angemeldet hast du dich, weil du Leute suchst, dich und deine Machwerke in Bild, Ton und/ oder Schrift bekannter machen willst und am Ende sind es doch immer dieselben Gesichter, die vor den selben Personen prangen, hier, im virtuellen Leben.
Wie kann man auch auf die Idee kommen, eine Freundschafft entwickle sich im world wide web?
Ist es wirklich schon so weit, dass selbst die ärgsten Ablehner dieser Methode, an Menschen heranzutreten, doch irgendwann den Sprung in diesen Pool machen? Und springen sie wirklich freiwillig? Oder werden sie eher gestoßen? Hinein geschuppt, von der harten Hand der Realität? Und von welcher Realität reden wir überhaupt? Wovon reden wir, wenn wir diesen Begriff benutzen? Von der Parallelwelt Internet? Ist das eine Realität?

"Da hat dich einer "gekruschelt" - heißt es, bei der hier zulande wohl bekanntesten Community "VZ".
Gekruschelt... was für ein dämliches Wort.
Und? Hast du's gemerkt? Hast du die Berührung gespürt, als du gekruschelt wurdest? Kann das Realität sein? Finden Liebe, Sex, Wut und Schlägereien in nicht allzu ferner Zukunft auch auf diese Weise statt?
Letzteres würde der Welt gut tun. Jedem Einzelnen von uns wäre das eine Bereicherung. Ersteres aber macht diesen Fortschritt gleich wieder zunichte. Oder doch nicht?
Wäre dann, wenn diese beiden Befürchtungen Wahrheit würden, alles auf dem Wege der Befriedung des Menschen?
Jeder sitzt dann nur noch zu Haus, in seiner Kammer, seinem Zimmer, seinem Loft oder wo auch immer, an seinem Rechner und lebt sich virtuell. Die Straßen würden leer werden und grün. Ein System würde zusammenbrechen und bald schreckt der Kollaps alle aus ihrer Lethargie, die real ist, fühlbar, erlebbar. Und dann bersten Welten, millionenfach. Kleine, mühsam zusammengeklickte, und durch stete Wachheit aufrechterhaltene, individuelle Welten. Und dann ist Amok. Kollektiver aber gerechter Amok. Keine Befriedung. Nur noch extatische Gewalt.

Keine Lust, ins Bett zu gehen.
"Noch einen Kaffee der Herr?"
Ich stehe neben mir und rede mit dem, der gerade die Buchstaben tippend zu Worten knüpft, zu Sätzen, die den beschreiben, der neben mir steht... und sitzt...
"Ja,... noch einen Kaffee!"
Ich raffe mich auf, greife zu den Krücken, humpele zur Kaffeemaschine um dir leere Kanne an den kleinen Finger der rechten Hand zu hängen. Die anderen umfassen der Griff der Gehhilfe. Trunken vom Alleinsein, von der in Schüben immer wieder überspielten Müdigkeit taumele ich zum Wasserhahn, fülle die Kanne, klemme sie zwischen den kleinen und den Mittelfinger, die anderen umfassen den Griff der Gehhilfe.
Zurück zur Kaffeemaschine. Die steht schon gegenüber dem Schreibtisch. Wäre auf ihm noch Platz, stünde sie hier. Aber der ist schon zu voll.
"Mach schon, ich will meinen Kaffee"
-höre ich mich sagen, während ich weiter Worte formuliere, die wahrscheinlich so unbedeutend sind, wie die Existenz dessen, der sie verfasst.
Eigentlich sollte ich keinen Kaffee trinken. Sagt der Arzt. Jedes Gift, das ich meinem Körper zuführe, sagt er, verlängert nur den Heilungsprozess der Entzündung an meinem Fuß, die mich zur Zeit an die Stöcke fesselt.
Aber was solls. Wenn schon kein Alkohol, dann wenigstens Kaffee und die verdammten Zigaretten.
Endlich. Ein Schluck, und mir wird wieder warm. Ich ziehe den Pullover aus, schmeiße ihn über die Lehne meines Stuhls und frage mich, worauf ich hiermit überhaupt hinaus will. Doch statt einer Antwort, nur weitere Sätze, die beschreiben, was ich zu hinterfragen versuche.

Warum tut man das? Die Müdigkeit ignorieren. Sich der Faulheit schmierig an den Hals werfen, als ginge es um drei vier Riesen, die man hingeworfen bekommt, wenn man dem fetten, kleinen Wichser im heruntergekommen Anzug nur sagt, was er hören will. Wenn man ihm die Füße küsst, über seine schäbigen Witze lacht und die eine oder andere Drecksarbeit für ihn erledigt.
Ist es wirklich nur das kleine bisschen Leben, das man lebt? Das einst vergessen sein wird, wenn es von dieser Welt verschwindet, irgendwo, in einem namenlosen Grab.
"Die Nacht nicht verschwenden"
-hämmert es in meinem Kopf und ich erinnere mich an einen Dokumentarfilm, den ich neulich nachts gesehen habe. Der Titel fällt mir nicht mehr ein. Es ging um einen Filmemacher, der seine Arbeit auf die Nacht beschränkt, weil er in den dunklen Stunden am produktivsten ist. Er hat sich und sein Leben sozusagen selbst dokumentiert, sich begleitet bei dem Versuch, ein normales Leben zu beginnen, mit Hilfe einer Therapie. Schlafforscher und Psychologen und allerhand andere Wissenschaftler standen ihm dabei zur Seite und am Ende... hmm... hat er es doch nicht geschafft.
Und ich sah so verdammt viele Parallelen zu meinem, kleinen Leben. Nachts werden die Texte am Besten. Auch, wenn ich mir einrede, morgens produktiv zu sein, ist das doch nur eine Lüge. In genau diesem Zustand, in dem ich mich jetzt gerade befinde, zu faul ins Bett zu gehen, oder zu umtriebig, schreibt es sich doch immer noch am besten. Ein Kaffee dazu, ein Bier, das ein oder andere Gläschen Likör. Und die Zigaretten. Diese verdammten Zigaretten.
Aber ich habe ich auch vom anderen Leben gekostet. Von dem, in dem man Geld hat. Ein wenig mehr, als in der alleinigen Existenz eines Möchtegernschriftstellers, den keiner wirklichen lesen will. Und ich habe die Vorzüge genossen und tue es noch. Einfach mal dies, oder das kaufen zu können, ohne überlegen zu müssen. Einfach ins Lokal gehen zu können, oder gar mal eine Frau in ein Restaurant ausführen zu können, ohne vorher zum hundertsten Mal bei den selben Leuten zu klopfen, mit der Frage, ob man sich vieleicht ein bisschen Geld borgen könne. Geld, dass man dann nie wirklich zurückzahlen kann.
All das braucht es nicht, in diesem anderen Leben. Aber dieses andere Leben kostet etwas. Etwas sehr wertvolles. Dieses Leben nämlich kostet Zeit. Wertvolle Zeit. Etwas, das beinahe mehr wiegt als Geld. Zumindest dann, wenn man daran hängt. Wenn man sein kleines, mickriges Leben schätzt und es auskosten will bis zum bitteren Ende. Auskosten, bis zum letzten Atemzug.
Und an dieser Stelle spaltet sich das Ich. Zeit, oder Geld? Geld, oder Zeit? Ins Bett gehen, um morgen fit zu sein, nicht zu verschlafen, die Arbeit nicht zu verreißen, den Boss nicht durch irgendwelche Fehler zu verärgern, oder gar durch Abwesenheit wegen Krankheit den Job zu riskieren?!
Oder auf all das scheißen? Die Drecksarbeit einen Anderen machen zu lassen? Ist sowieso ein Sklaventreiber, dieser Chef. Wie alle Chefs! Einfach im Bett zu bleiben und sich einen runterzuholen, auf die wütende Fresse des Vorgesetzten. Dann aber sind die Fänge des Amtes wieder offen, einem etwas neues, noch beschisseneres aufzudrücken. Einen neuen Chef, neue Scheißkollegen, neue Arbeit oder eben... gar kein Geld.
Da scheiden sich die Geister. Leben? Oder gelebt werden?
Und auch hierauf gibt es nur eine Antwort: Tu es, oder tu es nicht!

Keine Lust ins Bett zu gehen. Kennst du das?

Montag, 10. Januar 2011

Blitzeis, Dioxin und Westerwelle

Und, Freunde der guten Unterhaltungsmusik? Ordentlich ins neue Jahr gerutscht?
Was mich angeht, so kann ich diese Frage getrost mit „Ja“ beantworten, auch, wenn ich nicht mehr alles weiß, was der Teilamnesie zuzuschreiben ist, die mit übermäßigem Alkoholgenuss einhergeht. Sicher aber weiß ich, dass ich auf dreieinhalb Partys war, hier in der Wahlheimat Leipzig, und von keiner wirklich zu sagen ist, dass sie scheiße war.
Wäre mir das im Superpößneck auch passiert? Ich glaube nicht! Ich denke eher, abgesehen von den wenigen Leuten, die es wahrhaft lohnt, sie besuchen zu gehen, wäre es fad und öd geworden. Oder die Bullen, Verzeihung, die werten Herren und Damen des Polizeiamtes hätten ihren „scheiße ich muss heute arbeiten Frust“ an unsereins ausgelassen.
Hier dagegen war es gänzlich anders. Sogar am eigentlichen Brennpunkt der jährlichen Silvesterfeiern, wo es in den letzten Jahren immer zu Ausschreitungen kam, dem Connewitzer Kreuz nämlich, war alles friedlich. Ein netter Uniformierter wünschte mir gar ein gesundes, neues Jahr! Fast war ich schon ein bisschen enttäuscht, rückt jene Geste mein Weltbild doch etwas weg vom düstren Licht, was die Freunde und Helfer angeht.

Inzwischen schreiben wir den sechsten Januar und allmählich fängt sich alles, so scheint es. Klar, es beginnt ein neues Jahr, und da braucht es schon einen Aufmacher.
Vogelgrippe ist Geschichte. Maul und Klauenseuche dahin. Schweinegrippe adé, hätte ich fast gesagt, doch da schleicht sich die Nachricht von zwei toten Deutschen durch die Medien, die wohl an dem Virus gestorben sein sollen. Das jedoch rückt in den Hintergrund angesichts der neuerlichen Misere in der „Lebensmittelindustrie“. Als hätten es die Macher von ZDF INFO gewusst, zeigen sie, schon seit geraumer Zeit angekündigt (nur, damit es nicht heißt „Ähhh… das haben die ja extra gemacht… genau deswegen“…), „We feed the world“. Eine wirklich mitreißende Doku, die ich nur jedem ans Herz, oder den Magen, das Gedärm… wie auch immer, auf jeden Fall will ich es legen, dahin nämlich, an genannte Organe.
Als hätten sie es also gewusst, schreit sich derzeit ein neuer Lebensmittelskandal durch die Sendeanstalten und Zeitungen. Dioxin vergiftetes Futtermittel. Daher vergiftete Nahrungsmittel, Tiere, die nun zuhauf getötet werden. Sinnlos getötet. Also noch sinnloser, als ohnehin schon. Angst und Panik, eine definitive Insolvenz und Eier, die nun ausschließlich zum Werfen benutzt werden. Das hätte sich heute gut angeboten:
Drei-Königs-Treffen meiner Lieblingspartei, der FDP. Der Akneprinz Westerwelle, ebenfalls eigentlich schon politisch insolvent, schreit sich die Gurgel aus dem Hals, dass er nur, und nur er, die scheiternde Partei noch retten kann und das ginge nicht mit Politik von Links und auch nicht mit Sozialdemokratie. Nein, Mr. Westerwave, saths no going! Schließlich brauchen wir die harte Hand der neoliberalen Wirtschaftsmarionetten. Sie einzig kann den Karren aus dem Dreck ziehen, der weswegen eigentlich nochmal so tief drin steckt?
Ich würde mich da nicht so heißer blöken, nicht dass da noch einer mit einem Bolzenschussgerät geeilt kommt, weil Sie, lieber Guido, mit einem rinderwahnsinnigen, Dioxin vergifteten, schweinegrippalen Schaf verwechselt werden. Obwohl Sie mich ja eher an eine Mischung aus einem Frosch im Glas und den Helden aus der „Unendlichen Geschichte“ erinnern.
Letzteres allerdings nur des Rufes wegen: „Hab Selbstvertrauen! Atreju! Hab Selbstvertrauen!“
Andererseits auch, das fällt mir gerade ein, wegen der Szene, als der Junge auf dem Baum vor der uralten Morla sitzt. Wie alle anderen und gar Teile Ihrer eigenen Partei, niest die Schildkröte den Helden immer wieder von dem toten, kahlen Gehölz, tief im Moor der Verdammnis. Er aber klettert unbeirrt immer wieder hoch, nur um zu erfahren, dass er nichts Wesentliches erfahren wird. Applaus und: „Hab Selbstvertrauen Guido! Hab Selbstvertrauen!“
Und während ich zum dritten Mal in Folge zu spät zur Arbeit komme, und das, obwohl ich schon das Auto einer Freundin hier habe und also wesentlich unabhängiger bin, schlittert der Leipziger Fußgänger übers Blitzeis, gewahr, sich jeden Moment ordentlich auf die Fresse zu legen, weil die Straßen zwar geräumt, die Bürgersteige aber nichts anderes sind, als Steilpisten direkt in die Chirurgie. Da bleibt nur zu sagen: „Hab Selbstvertrauen, Leipziger! Hab Selbstvertrauen!“

Sonntag, 2. Januar 2011

Mysterium 2010

Morgen zur Stunde Null ändern sich mal wieder die beiden Zahlen hinter der Zweitausend in der Jahresschreibung. Mit allem, was die pyrotechnische Industrie auf dem freien Markt anbietet, wird Zweitausendzehn davongejagt, und nicht wenige werden mir zustimmen, wenn ich sage: zum Glück!
Was für ein Scheißjahr, oder? Ich höre mich das so oft in den letzten zwölf Monaten sagen, wie wohl kaum zuvor. Und nicht nur mir ist die Zwanzig Zehn gehörig auf die Nerven geschlagen. Kaum ein Mensch, den ich kenne, und das sind wahrlich nicht wenige, die mir nicht zugestimmt haben und dies noch immer tun. Bei so Vielen wird das baldige Ehemalige in verdammt schlechter Erinnerung bleiben, dass einem schon ein bisschen mulmig werden kann, ob der offensichtlich mystischen Verwobenheit des Ganzen. Irgendetwas geht doch da nicht mit rechten Dingen zu. Mal ganz ehrlich jetzt: Wenn bei zwei Dritteln meiner Bekannten und Verwandten so gut wie alles schief ging, was nur schief gehen konnte, Rück- und persönliche Tiefschläge in einem Maß das Mark des Jeweiligen zum Beben brachten, kann doch etwas nicht stimmen. Unlängst wurde ich Zeuge eines Gesprächs zweier mir fremder Personen auf der Straße. Auch die beiden tauschten Erfahrungen aus und bestätigten, was ich schon von mir und aus dem Kreise meiner Lieben wusste. „Ich bin froh, dass das Jahr endlich vorbei ist. Das sagen so viele, die ich kenne.“ – hörte ich da die eine sagen.
Und wahrlich, das Mysterium Zwanzig Zehn nimmt glücklicher Weise bald ein Ende und es bleibt zu hoffen, dass die Elf Änderung bringt, es wieder bergauf geht, sich das Portemonnaie füllt, die Gesundheit sich stabilisiert und auch das restliche Chaos all der Kleinigkeiten sich ordnen lässt.
Und nicht nur im Kleinen hielt das Jahr die Menschen in Atem. Ein langer Winter, der bis in den Sommer hinein Deutschland frieren ließ, ersoff dann endlich irgendwann in den von ihm höchstpersönlich verursachten Überschwemmungen, während sich eine christliche Oberhäuptin besoffen hinters Steuer setzt und schlängelnd direkt in die Arme der Polizei fährt. Das hat ja gut gepasst, waren wir doch ohnehin dabei, die Kirche verachten zu lernen, ob der Missbrauchsfälle, die nach und nach bekannt und zu Hauf diskutiert wurden. Heraus kam dabei ja, außer viel Gewäsch und mehr obligatorischen, als wirklich ernst gemeinten Entschuldigungen diverser Täter und deren Vorgesetzen nun nicht viel. Eine lächerlich summierte Entschädigung in einem Topf, der einem einzigen Opfer ausgezahlt werden müsste, ist kürzlich durch die eigens gebildete Kommission beschlossen wurden, der mehr Verbrecher, als Geschädigte vorsaßen. Nicht einmal der Bekanntmachung des Ergebnisses durften die Opfer beiwohnen. Pfui ist da noch das harmloseste, was dazu zu sagen bleibt.
In Haiti bebt unterdes die Erde und reißt millionen Menschen in ein Schicksal, das bis zum heutigen Tag anhält. Kurz ist die Welt solidarisch, spendet und will helfen, aber irgendwann ist das Thema nun einmal ausgelatscht und also überlassen wir die Menschen sich selbst, schließlich waren wir freigiebig genug. Es muss ja auch mal Schluss sein mit dem leidigen Thema eines Landes, das der Deutsche auch nur deshalb halbwegs auf der Landkarte findet, weil er da gerne mal Urlaub machen will.
Lena sang uns zum Grand Prix Sieg und stellt dabei auch gleich die heimliche Hymne zum Rekordsommer, während der sympathische Wettermann nun maximal seinen Mithäftlingen etwas von Kumuluswolken und Gewittern erzählt. Wahrscheinlich aber sitzt er eher mit den Zellengenossen vorm Mini-TV und sieht zu, wie die deutsche Nationalmannschaft zum zweiten Mal Weltmeister der Herzen wird. Irgendwie höre ich hin und wieder seinen Spannemann sagen: „ich will dich kacheln man!“
Wenigstens ist er vor der Deutschen Bahn sicher, im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die einem Hitzekollaps erliegen, weil Klimaanlagen eher zur Absicherung des Gewissen, nicht aber der Gesundheit der Reisenden wegen installiert werden. Da macht es schnell den Eindruck, dem Unternehmen ginge es, wie Griechenland und später auch Irland und Portugal. Pleitegeier der europäischen Union. Buhmann ist das Volk, nicht der gemeine Verbrecher im Nadelstreifen und zahlen dürfen alle, nicht aber der Verbrecher im Nadelstreifen. Kurze Debatten, dann wieder Boni und weitermachen wie zuvor. Applaus du holde Wirtschaftskuh. Wir melken bis das Euter bis es faltig wird. Und die Milch saufen dann die Fetten!
Auch das geologische Gefüge des Landes wird vom Mysterium Zweitausendzehn in Mitleidenschaft gezogen. Dort ein Erdrutsch, da bricht ein Stück Berg weg, hier tut sich ein Krater auf, wo vorher noch geteerte Straße war. Na Prost Mahlzeit, denkt da der Ängstliche. War es nicht in diesem Film genauso? Bei „2012“ hat es doch auch damit angefangen, dass die Erde sich auftat?! Na wenn das kein Omen ist und die südamerikanischen Nostradamusse Recht behalten.
Einzig positiv bleibt mir in Erinnerung, dass die Republik, respektive das Volk sich langsam aber sicher seiner Macht bewusst wird und dem „Politbüro“ da oben mal gehörig die Meinung sagt. So geschehen in Stuttgart und entlang der Castorstrecke. Massen, die beginnen, sich der Bestimmung über ihre Köpfe hinweg zu erwehren. Auch, wenn das Ganze schnell kanalisiert ist, haben wohl gar Manche gemerkt, dass die eigene Person auf der Straße die Masse macht, die der Obrigkeit klar zu verstehen gibt, dass da einiges im Argen liegt. Selbige schickt natürlich ihre uniformierte Streitmacht, die prügelnd und mittels Einsatz von Wasserwerfern zweigen soll, wer hier der Herr im Hause ist. Dass die Exekutive nicht zimperlich ist, wissen ja viele von uns, aber diesmal waren es eben keine schwarz vermummten Autonomen Krawallmacher, die Opfer von Polizeigewalt und exzessiv- uniformierten –somit also legalisierten- Prügelattacken wurden, sondern Kinder, Rentner, und Tante Ingeborg von nebenan, die ja „eigentlich eher konservativ“ ist. Schade nur, dass die verlogenen Rechtfertigungsversuche der „Oberen“ nicht auf noch mehr Wut und Empörung stoßen, aber vielleicht kommt das ja noch.
Sicherlich habe ich hier jetzt einiges vergessen, aber im Fernsehen zeigt man ja dieser Tage Rückblicke noch und nöcher. Es ist also kein Problem, sich ZwanzigZehn noch einmal komplett in Erinnerung zu rufen. Im Gegenteil. Es wird eher ein Problem sein, nicht irgendwo auf „Die Bilder des Jahres“ zu stoßen.
Ich sage daher, Prost, und freue mich auf die Elf in tiefer Hoffnung, dass die Schnapszahl Besserung bringt.

Weihnachten 2010

Weihnachten. Der Morgen des vierundzwanzigsten zwölften zweitausendzehn. Ich sitze, zum ersten Mal in Ruhe, in meiner neuen Wohnung, trinke, zum ersten Mal in Ruhe, meinen morgendlichen Kaffee, benutze die neue, vom Chef gespendete Tastatur, überlege, wie die Bahn wohl mit dem neuerlichen Schneefallüberraschungswetter klar kommt und ob sie uns, mich und eine Bekannte, pünktlich und komplikationsfrei ins heimatliche Thüringen bringt.
Nun auch, da ich wieder in den Genuss komme, täglich dem TV-Treiben beiwohnen zu können, tue ich das natürlich. Nicht zuletzt, um euch mit meinen Gedanken zur Maschinerie der Verblödung unterhalten zu können (so ich das überhaupt zu tun imstande bin).
Und wie nicht selten ungewollt, schreien sich schon nach wenigen Minuten die ersten Zeilen in meinen Kopf, denn es ist ja, wie eingangs erwähnt, „Heiligabend“.
Mit einer DVBT Antenne empfängt man (hier) nur die öffentlich rechtlichen Sender, und eigentlich brauchts ja auch nicht mehr, denn der Schund der Privaten hat das Maß allen geschmacklichen Niveaus längst überschritten. Schade nur, wenn man genau darüber schreiben will und aber eben nicht konsumieren kann. Macht aber heute auch nichts, denn es ist mit Sicherheit kein anderes thematisches Programm, als auf ALLEN anderen Sendern.
Der heilige –ich will nochmal betonen: HEILIGE- Abend wird, bevor er überhaupt begonnen hat, schließlich sitzt der deutsche Normalbürger zu dieser Tageszeit gerade zum Mittagstische, bereits jetzt zelebriert.
Dornröschen und der Froschkönig passieren parallel die Hohlwege ARD und ZDF, auf Phoenix sucht ein Reporterteam allen Ernstes den Weihnachtsmann im russischen Grenzgebiet zu China, ARTE zeigt zwei Brüder in Italien, die irgendetwas mit irgendeinem, offensichtlich bekannten, Grippenspiel zu tun haben, man reist „Mit der Pferdekutsche durch Norwegen“ im WDR oder beobachtet das Treiben des roten Weightwatchers im gezeichneten Format im Kinderkanal. 3Sat zeigt Reportagen in Schleife, wie in verschiedensten Ländern Weihnachten gefeiert wird, und ich verzweifle nach zwei Minuten zappen.
Ob sich die Macher der Programme, die ja ohnehin irgendwie alle unter einer Decke stecken (bei den öffentlich rechtlichen), bewusst sind, dass es Menschen gibt, die diesen Tag so normal wie nur irgend möglich verbringen wollen, wozu auch gehört, nicht schon morgens mit dem Hafer einer längst verdrehten Geschichte belästigt zu werden?! Da hilft auch nicht, das Fenster zur Welt auszustellen, oder, mit den Worten Peter Lustigs zu sprechen: „Abschalten!“, und sich dem Radio zu widmen, denn auch hier klingt und dreht es sich in einer Tour ums offensichtlich einzige Thema. „Last Christmas“ vom scheinheterosexuellen Schmalzbarden muss ich nicht haben. Wenn ich wütend die Einrichtung demolieren will, geht das auch anders.
Mir kommt, ganz frei weg gesagt, langsam aber sicher, die Wurst quer, bei dem ganzen Scheiß. Es scheint, als wird das alles jedes Jahr schlimmer. Oder ist es nur so, dass man, je älter man wird, immer sensibler darauf reagiert? Vielleicht ergießt sich die Erträglichkeit der Thematik mit jedem Jahr in ein emotionales Behältnis, das irgendwann einfach randvoll ist und das Überlaufen dessen dann bewusster auf die Nerven schlägt? Ich hoffe nicht, denn dann wird es so sein, dass ich spätestens zwei Jahren Amok laufen werde. Auf einem Weihnachstmarkt, zwischen all den Bekloppten und Verkappten, die sich immer wieder aufs Neue dazu zwingen, Stress zu produzieren, der dann zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen wird und Anlass ist, sich über diesen aufzuregen, sich aber, weil ja freiwillig wiederum dazu zwingen, diesem Stress etwas Positives abzugewinnen, denn: das gehört ja zu Weihnachten und also und schließlich zum Fest der Liebe.
Eben. Das Fest der Liebe. Zelebriert zwischen nörgelnden und gestressten Menschen, die in der Vorphase zu Maschinen mutieren, um sich am vierundzwanzigsten Dezember aufatmend mit der gehassten Familie unter einem krüppligen Nadelbaum dermaßen die Kante zu geben, dass der Tag, dem all die Wochen vorher der Stress galt, schon am darauffolgenden vergessen wird, weil die alkoholbedingte Kurzzeitamnesie gnadenlos zuschlägt.
Ich für meinen Teil werde etwas tun, was sonst überhaupt nicht mein Ding ist: Ich passe mich dem an, verlasse in den nächsten Minuten meine Wohnung, um, der Bahn vertrauend, ins weihnachtliche Pößneck zu fahren, dort dem traditionellen, und über die thüringischen Landesgrenze hinaus bekannten, Lichterfest beizuwohnen, trinkend, versteht sich, anschließend den Gipfel des Festes zu erstürmen, die Bescherung nämlich und dann schauen, was sich mit dem angebrochenen Abend noch anfangen lässt. Prost!