Dienstag, 25. Januar 2011

...und es packt dich, ob du willst oder nicht

Och nööööö… schreits gepeinigt in mir. Da hat man schon keine privaten TV Sender und wird trotzdem von der holdesten Dämlichkeit der medialen Landschaften verfolgt. Es ist fast egal, wohin man, freiwillig oder unfreiwillig klickt, überall thronen die potentiellen Dschungelkönige und -Königinnen. Mail- Provider, zweitklassige Tagesblätter, Communities. Man kommt einfach nicht drumrum.
Eben schon wieder. Auf der Suche nach aktuellen exregionalen Nachrichten, also Geschehnissen, die sich in der alten Heimat zutragen, schaue ich hin und wieder beim Tagesblatt OTZ vorbei, auch, wenn der Gedanke daran eigentlich schon sinnfrei ist, ob der Güte der Zeitung.
Macht aber insofern nichts, als dass ich wenigstens strukturell unterrichtet und also im Bilde bin, was der Saale-Orla-Kreis so treibt, mit seinem bunten Häufchen Bewohnerschaft.
Doch bevor ich auf die Lokalbereiche Zugriff nehme, sehe ich mir stets die Titelseite der Onlineausgabe an. Und was sticht mir zu allererst ins Auge?

„Sarah Knappik hat das Dschungelcamp verlassen!“

Na fein! Und wer zum Geier ist Sarah Knappig?
Und warum verlässt sie das Sprungbrett in die zweite Chance ihrer Karriere. Was auch immer sie gemacht hat, bevor sie sich gezwungen sah, durch den Auftritt zwischen Insekten, Schlamm und toten Bäumen wieder einmal ins Gerede zu kommen?!
Ich überrede mich also, den Artikel zu lesen und erfahre, neben einer Riege weiterer mir völlig unbekannter Namen, dass die Flüchtige ein Model ist, oder war, oder sein will oder… was auch immer. Und dass sie ging, lag wohl an der Eskalation eines „Zickenkrieges“ wie man so schön sagt, der zehn Tage nach Beginn des Abenteuers seinen Höhepunkt nahm. Auch ein Psychologe -ja, ihr lest richtig, die haben da sogar Psychologen- konnte als Streitschlichter nur wenig ausrichten. Denn wenn man schon vor Beginn des Wagnisses gefragt wird, ob man im Camp ein Paar sein will, selbiges ablehnt und der Bittsteller dann plötzlich mit einer anderen Frau die Show abzieht, ist das in höchstem Maße beleidigend und/ oder greift den Stolz eines Models an, oder verletzt die Ehre einer Frau oder… weiß der Fuchs…
Fest steht, das geht aus dem OTZ Artikel hervor, dass die „Schöne“ zum Angriff überging und ausplauderte, wonach sie von dem Sänger Jay Khan (was singt der? Kinderlieder?) gefragt wurde und mutmaßt dabei offen, dass es sich beim Balz- und Liebesakt des frischen Paares nur um eine Fälschung handeln kann. Naja und wie das Leben nun einmal ist, wird der Mensch schnell zum Feind, der Harmonien einer Gruppe mutwillig zerstört. Das ist aber auch ein Drama.
Aber des einen Leid ist des Anderen Freud, auch das ist im Leben immer so. Und so hat Noch- oder schon Ex-, oder… was weiß ich, Dschungelkönigin Ross Antony jedenfalls wenigstens ein Thema und einige Exklusivinterviews mehr, bei denen er sich auslassen und die Nation zu Tode quasseln kann. Prima Ross! Nice for you! So hat wenigstens einer langfristig etwas vom Würmer kauen.
Ich frage mich nur, wer den Scheiß liest? Entweder, man sitzt vor der Glotze und zieht sich den Mist jeden Tag rein, weiß dann aber, was passiert ist und muss es nicht noch einmal zum Frühstück auf Semmel, Schrippe und Brot geschmiert, oder unter die Eier gerührt bekommen, oder man interessiert sich einen feuchten Kehricht für das Format und seine bemitleidenswerten Teilnehmer und liest den Artikel also auch nicht.
Gut, dann kommen solche wie ich und tun es ja doch, weil sie sich gezwungen sehen, ihren Senf zur Geschichte auch noch abzugeben, obschon es mit Sicherheit tausende Schreiber tausender Genres und Meinungen gibt, die sich hier bereits übergeben. Komisch, nicht wahr?


(Nachweis:
http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Sarah-Knappik-hat-das-Dschungelcamp-verlassen-843388666)

Sonntag, 23. Januar 2011

Immer wieder sonntags

Der Tag kracht mittäglich ins Gebälk und aufgeschreckt vom Gedanken zu spät zu sein, besinne ich mich. Ich muss ja gar nicht zur Arbeit. Sonntags bleibt das diversen Dienstleistern, Ärzten, Pflegern, Hoteliers und anderen vorbehalten. Nicht zu vergessen mein Pizzadealer direkt gegenüber. Der steht schon fleißig am Ofen und schwitzt sich den Sarap von gestern Nacht wieder raus.
Dennoch fällt das Aufstehen schwer. Sonntage sind wie schales Bier. Es steht und steht und keiner wagt, sich dessen zu bedienen.
Und weil Sonntage irgendwie immer öd und langweilig sind, sich kaum gestalten lassen und vor allem dann nicht, wenn herbstlich- oder winterlich graues Wetter ein gemütliches Flanieren auf den Straßen beinahe unmöglich machen, halte ich diesen Tag der Woche für den überflüssigsten.
Kaum den Satz gedacht, sehe ich die peitschenschwingende Arbeiterschaft, fest der Überzeugung, ich will ihnen den heiligen Ruhetag abspenstig machen, aber weit gefehlt. Wenn es nach mir ginge, wäre immer Sonntag, zumindest insofern, als dass man zu Recht zu Hause bleiben kann. Dann nämlich würde er nicht so herausstechen und man würde schnell merken, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, denn wo keiner arbeitet, wird auch nix hergestellt, nix produziert und verkauft. Keiner Wird behandelt, beschützt und beliefert. Kein Strom, kein Wasser, keine Heizung! Ei der Dautz, das wäre ein Fest, nicht? Wenn alles hier zusammenbricht?! Darwin hätte seine helle Freude an den Beobachtungen!
Ich schweife ab.
Denn worauf ich hinaus wollte, ist der Gedanke, an den öden Sonntag und das noch ödere Verleben desselben. Und wie ich so darüber nachdenke, fällt mir schnell die Logik ein, dass eben dieser Sonntag mit Sicherheit der Tag ist, an dem die meisten Selbstmorde verübt werden. Zumindest in den so genannten zivilisierten Ländern –die, nebenbei bemerkt, so zivilisiert gar nicht sind.
Nun macht das Aufstehen doch Spaß, denn ich habe eine Mission:
-Beweise diesen theoretischen Gedanken!
Also rinn inne Pantoffeln, Hygienepflichten abhaken, Rechner an und los geht’s.
Zunächst finde ich allerhand wissenswertes, und weniger wissenswertes zum Thema Suizid. Dass die Rate statistisch zurückging, im Laufe der letzten zehn Jahre, dass alle siebenundvierzig Minuten in Deutschland ein Mensch seinem Leben ein Ende bereitet. Alle vier Sekunden findet weltweit ein Suizidversuch statt.
Aber eine Statistik des Verhältnisses Wochentag zu Selbstmord fand ich zunächst nicht.
Indes stieß ich auf Listen berühmter Persönlichkeiten, die den Freitod wählten, weiß jetzt, was der „Werther Effekt“ ist und dass Erhängen die am häufigsten angewandte Methode ist.
Dank meiner „Adjutantin“ für Recherche, Hard- und Softwareprobleme wurde ich dann doch noch fündig. (ein Hoch auf D.S.)
Und siehe da. Ich hatte sowas von unrecht! Zu meiner Verwunderung sind es nämlich nicht die Sonntage, die den Menschen zur resignativen Endgültigkeit treiben. Auch nicht die Montage, was ja noch nachvollziehbar gewesen wäre. „Scheiße, wieder auf Arbeit. Wieder die ganzen Fressen. Und wieder den dämlichen Chef freundlich grüßen.“
Auch am Samstag wird nicht übermäßig, weil vielleicht zu viel getrunken, selbstgemordet.
Es ist der Mittwoch, an dem am häufigsten zu Seil, Gift, Rasierklinge und Co gegriffen wird. Warum? Eine wissenschaftliche Erklärung hierfür gibt es nicht. Fest steht nur, dass der untypischste Tag der Woche herhalten muss, eine solch grausame Statistik anzuführen. (Graphik und Artikel dazu :http://www.forum-gesundheitspolitik.de/artikel/artikel.pl?artikel=1602)

Auch sind es nicht, wie gedacht, die Wintermonate, in denen sich die Menschen gern umbringen, sondern der Frühling und der Sommer. Komisch nicht wahr?

Trotzdem bleibt der Sonntag für mich der deprimierenste Tag der Woche. Und weil das so ist, erinnere ich an den Churchillschen Satz, keiner Statistik zu glauben, die man nicht selbst gefälscht hat.

Freitag, 21. Januar 2011

Nachtigall ick hör dir trapsen...

http://poessneck.otz.de/web/poessneck/startseite/detail/-/specific/Jugendliche-beleidigt-Polizei-in-Poessneck-und-muss-zahlen-1630888632

Na da schau her. Da haben wir es dem Schwerstkriminellen mal wieder gegeben. Es geht ja auch nicht an, derartige Beschimpfungen über sich ergehen zu lassen, nur, weil man repressiv gegen Symbole vorgeht, die weder auf irgendeinem Index stehen, noch einen "eindeutigen Aufruf zu einer Straftat" darstellen. So nämlich wurde das Konfiszieren der T-Shirts, Buttons und Patches begründet an jenem Tag. Festnahmen, die damit einhergingen, oder, wie es in dem OTZ Artikel heißt: "kurzzeitig festgehalten", oblagen eben dieser Begründung und wenn nicht am Rande dieser Ingewahrsamnahmen erheblicher Protest entstanden wäre, hätten die Betroffenen sicherlich noch einige Stunden in der GESA gesessen.
Dass Beleidigungen an der Tagesordnung sind, bei derartigen "Veranstaltungen", ist kein Geheimnis und inzwischen durch einige TV Berichte bekannt gemacht worden.
"Kommunistenschwein" habe ich mir ebenso schon anhören müssen, wie "Kuck dir den mal an!" begleitet von einem hämischen Grinsen. Sich dem aber zur Wehr zu setzen, oder gar eine Anzeige zu erstatten mit Aussicht auf Verhandlungserfolg, ist schier undenkbar.
"Wer Wind sät, wird Sturm ernten", dieses Zitat aus dem alten Testament (AT, Hosea, Kapitel 8, Vers 7) ist weithin bekannt und trifft den Nagel immer und immer wieder auf den Kopf.
Solcherlei Repressalien erzeugen Wut und in der Rage hat mensch schnell etwas gesagt, dass völlig unüberdacht den Mund verlässt. Das ist jedem schon einmal so gegangen und ich bin sicher, auch die werten Beamten kennen solche Situationen.
Sich also wie ein kleiner Hosenmatz des Spruches wegen zu bepinkeln, als hätte Mutti schon die Herdplatte angemacht, damit das Patschhändchen mal wieder zur Räson rufend darauf gehalten werden kann, ist, meiner Meinung nach nicht nur etwas übertrieben, sondern zeugt vom unbedingten Wille, auch nur die kleinste Kleinigkeit zu finden und sie der Strafe zuzuführen. Und wenn der Pulk von verblödeten Spinnern, die nichts anderes zu tun haben, als sich auf die Straße zu stellen und zu demonstrieren, schon nicht von sich aus den verdorbenen Samstag der Herren und Damen Polizei wenigstens insofern retten, als dass diese sich stöckeschwingend ihren Frust aus dem Leibe knüppeln können, dann doch wenigstens diese kleine Genugtuung, oder? Da muss man eben ein bisschen provozieren, damit das mal was wird.
Und dann ein solches Prozedere, Staatsanwalt, Richter, Verhandlung, das am Ende mehr Geld kostet, als überhaupt an Strafe verhängt wird, ist doch mehr als absurd! Ich möchte nicht wissen, was die Bubenanzeigen wegen eigentlich Nichts den Staat und also den Steuerzahler schon gekostet haben.

Sehen wir mal davon ab, ist an jenem Tag auch eine junge Frau von Beamten verletzt worden, sodass sie ambulant im Krankenhaus behandelt werden musste. Stand davon irgendetwas zur Debatte bei dieser Verhandlung? Im OTZ Artikel wird nicht der kleinste Fetzen davon erwähnt und aus der Anzeige ist, was ja zu erwarten war, nichts geworden.
Nachtigall ick hör dir trapsen... gelle. Schnell ein zwei Anzeigen und exempeln, wozu der Staatsapparat imstande ist. Fein rumschubsen, druffkloppen und dann auf bitter verletzt machen, eines einzigen Satzes wegen, der am Ende doch nur eher geflüstert war. Aber wo das Ohr der Obrigkeit klebt, wird auch gehört, was gehört werden will. Und dann ist man als Beamter auch arg getroffen, braucht psychologische Betreuung weil das Ausüben der Tätigkeit so grausam ist. Die Gesellschaft, deren Aufgabe es ist, hinter dem Freund und Helfer zu stehen wendet sich ab, nicht einmal Mutti hat mehr Verständnis. Randgruppe Polizei. Schlimm sind die Zeiten geworden. Vielleicht sollten wir alle einmal darüber nachdenken, einen Hilfsfonds ins Leben zu rufen, um Therapiegruppen zu installieren, nach dem Modell der anonymen Alkoholiker?
Betroffener: "Mein Name ist Holger, ich bin Polizist!"
Chor: "Willkommen Holger!"
Therapeut: "Setz dich Holger. Schön, dass du zu uns gefunden hast. Erzähle uns, was dir widerfahren ist."
Holger: "Da hat mich so ein gemeiner Demonstrant 'Bulle' genannt"
Ein betroffenes Raunen geht durch die Menge. Zwei drei Teilnehmer können ihre Tränen nicht mehr halten.

Schöne neue Welt. Und mir kommt das Kotzen!!!

Sonntag, 16. Januar 2011

Nachtleben

Mal nicht ganz so kolumnistisch... aber es muss ja nicht immer das satirische Wort sein:

Keine Lust ins Bett zu gehen. Kennst du das? Du sitzt vor deinem Rechner, checkst mal hier und mal die Neuigkeiten, ziehst dir einen mittelmäßigen Film rein, schmierst dich durch die unzähligen, dafür eigentlich viel zu unwichtigen Plattformen, Foren und Communities, auf denen du, warum auch immer, angemeldet bist und überlegst dabei, ob all der Scheiß eigentlich einen Sinn hat.
Angemeldet hast du dich, weil du Leute suchst, dich und deine Machwerke in Bild, Ton und/ oder Schrift bekannter machen willst und am Ende sind es doch immer dieselben Gesichter, die vor den selben Personen prangen, hier, im virtuellen Leben.
Wie kann man auch auf die Idee kommen, eine Freundschafft entwickle sich im world wide web?
Ist es wirklich schon so weit, dass selbst die ärgsten Ablehner dieser Methode, an Menschen heranzutreten, doch irgendwann den Sprung in diesen Pool machen? Und springen sie wirklich freiwillig? Oder werden sie eher gestoßen? Hinein geschuppt, von der harten Hand der Realität? Und von welcher Realität reden wir überhaupt? Wovon reden wir, wenn wir diesen Begriff benutzen? Von der Parallelwelt Internet? Ist das eine Realität?

"Da hat dich einer "gekruschelt" - heißt es, bei der hier zulande wohl bekanntesten Community "VZ".
Gekruschelt... was für ein dämliches Wort.
Und? Hast du's gemerkt? Hast du die Berührung gespürt, als du gekruschelt wurdest? Kann das Realität sein? Finden Liebe, Sex, Wut und Schlägereien in nicht allzu ferner Zukunft auch auf diese Weise statt?
Letzteres würde der Welt gut tun. Jedem Einzelnen von uns wäre das eine Bereicherung. Ersteres aber macht diesen Fortschritt gleich wieder zunichte. Oder doch nicht?
Wäre dann, wenn diese beiden Befürchtungen Wahrheit würden, alles auf dem Wege der Befriedung des Menschen?
Jeder sitzt dann nur noch zu Haus, in seiner Kammer, seinem Zimmer, seinem Loft oder wo auch immer, an seinem Rechner und lebt sich virtuell. Die Straßen würden leer werden und grün. Ein System würde zusammenbrechen und bald schreckt der Kollaps alle aus ihrer Lethargie, die real ist, fühlbar, erlebbar. Und dann bersten Welten, millionenfach. Kleine, mühsam zusammengeklickte, und durch stete Wachheit aufrechterhaltene, individuelle Welten. Und dann ist Amok. Kollektiver aber gerechter Amok. Keine Befriedung. Nur noch extatische Gewalt.

Keine Lust, ins Bett zu gehen.
"Noch einen Kaffee der Herr?"
Ich stehe neben mir und rede mit dem, der gerade die Buchstaben tippend zu Worten knüpft, zu Sätzen, die den beschreiben, der neben mir steht... und sitzt...
"Ja,... noch einen Kaffee!"
Ich raffe mich auf, greife zu den Krücken, humpele zur Kaffeemaschine um dir leere Kanne an den kleinen Finger der rechten Hand zu hängen. Die anderen umfassen der Griff der Gehhilfe. Trunken vom Alleinsein, von der in Schüben immer wieder überspielten Müdigkeit taumele ich zum Wasserhahn, fülle die Kanne, klemme sie zwischen den kleinen und den Mittelfinger, die anderen umfassen den Griff der Gehhilfe.
Zurück zur Kaffeemaschine. Die steht schon gegenüber dem Schreibtisch. Wäre auf ihm noch Platz, stünde sie hier. Aber der ist schon zu voll.
"Mach schon, ich will meinen Kaffee"
-höre ich mich sagen, während ich weiter Worte formuliere, die wahrscheinlich so unbedeutend sind, wie die Existenz dessen, der sie verfasst.
Eigentlich sollte ich keinen Kaffee trinken. Sagt der Arzt. Jedes Gift, das ich meinem Körper zuführe, sagt er, verlängert nur den Heilungsprozess der Entzündung an meinem Fuß, die mich zur Zeit an die Stöcke fesselt.
Aber was solls. Wenn schon kein Alkohol, dann wenigstens Kaffee und die verdammten Zigaretten.
Endlich. Ein Schluck, und mir wird wieder warm. Ich ziehe den Pullover aus, schmeiße ihn über die Lehne meines Stuhls und frage mich, worauf ich hiermit überhaupt hinaus will. Doch statt einer Antwort, nur weitere Sätze, die beschreiben, was ich zu hinterfragen versuche.

Warum tut man das? Die Müdigkeit ignorieren. Sich der Faulheit schmierig an den Hals werfen, als ginge es um drei vier Riesen, die man hingeworfen bekommt, wenn man dem fetten, kleinen Wichser im heruntergekommen Anzug nur sagt, was er hören will. Wenn man ihm die Füße küsst, über seine schäbigen Witze lacht und die eine oder andere Drecksarbeit für ihn erledigt.
Ist es wirklich nur das kleine bisschen Leben, das man lebt? Das einst vergessen sein wird, wenn es von dieser Welt verschwindet, irgendwo, in einem namenlosen Grab.
"Die Nacht nicht verschwenden"
-hämmert es in meinem Kopf und ich erinnere mich an einen Dokumentarfilm, den ich neulich nachts gesehen habe. Der Titel fällt mir nicht mehr ein. Es ging um einen Filmemacher, der seine Arbeit auf die Nacht beschränkt, weil er in den dunklen Stunden am produktivsten ist. Er hat sich und sein Leben sozusagen selbst dokumentiert, sich begleitet bei dem Versuch, ein normales Leben zu beginnen, mit Hilfe einer Therapie. Schlafforscher und Psychologen und allerhand andere Wissenschaftler standen ihm dabei zur Seite und am Ende... hmm... hat er es doch nicht geschafft.
Und ich sah so verdammt viele Parallelen zu meinem, kleinen Leben. Nachts werden die Texte am Besten. Auch, wenn ich mir einrede, morgens produktiv zu sein, ist das doch nur eine Lüge. In genau diesem Zustand, in dem ich mich jetzt gerade befinde, zu faul ins Bett zu gehen, oder zu umtriebig, schreibt es sich doch immer noch am besten. Ein Kaffee dazu, ein Bier, das ein oder andere Gläschen Likör. Und die Zigaretten. Diese verdammten Zigaretten.
Aber ich habe ich auch vom anderen Leben gekostet. Von dem, in dem man Geld hat. Ein wenig mehr, als in der alleinigen Existenz eines Möchtegernschriftstellers, den keiner wirklichen lesen will. Und ich habe die Vorzüge genossen und tue es noch. Einfach mal dies, oder das kaufen zu können, ohne überlegen zu müssen. Einfach ins Lokal gehen zu können, oder gar mal eine Frau in ein Restaurant ausführen zu können, ohne vorher zum hundertsten Mal bei den selben Leuten zu klopfen, mit der Frage, ob man sich vieleicht ein bisschen Geld borgen könne. Geld, dass man dann nie wirklich zurückzahlen kann.
All das braucht es nicht, in diesem anderen Leben. Aber dieses andere Leben kostet etwas. Etwas sehr wertvolles. Dieses Leben nämlich kostet Zeit. Wertvolle Zeit. Etwas, das beinahe mehr wiegt als Geld. Zumindest dann, wenn man daran hängt. Wenn man sein kleines, mickriges Leben schätzt und es auskosten will bis zum bitteren Ende. Auskosten, bis zum letzten Atemzug.
Und an dieser Stelle spaltet sich das Ich. Zeit, oder Geld? Geld, oder Zeit? Ins Bett gehen, um morgen fit zu sein, nicht zu verschlafen, die Arbeit nicht zu verreißen, den Boss nicht durch irgendwelche Fehler zu verärgern, oder gar durch Abwesenheit wegen Krankheit den Job zu riskieren?!
Oder auf all das scheißen? Die Drecksarbeit einen Anderen machen zu lassen? Ist sowieso ein Sklaventreiber, dieser Chef. Wie alle Chefs! Einfach im Bett zu bleiben und sich einen runterzuholen, auf die wütende Fresse des Vorgesetzten. Dann aber sind die Fänge des Amtes wieder offen, einem etwas neues, noch beschisseneres aufzudrücken. Einen neuen Chef, neue Scheißkollegen, neue Arbeit oder eben... gar kein Geld.
Da scheiden sich die Geister. Leben? Oder gelebt werden?
Und auch hierauf gibt es nur eine Antwort: Tu es, oder tu es nicht!

Keine Lust ins Bett zu gehen. Kennst du das?

Montag, 10. Januar 2011

Blitzeis, Dioxin und Westerwelle

Und, Freunde der guten Unterhaltungsmusik? Ordentlich ins neue Jahr gerutscht?
Was mich angeht, so kann ich diese Frage getrost mit „Ja“ beantworten, auch, wenn ich nicht mehr alles weiß, was der Teilamnesie zuzuschreiben ist, die mit übermäßigem Alkoholgenuss einhergeht. Sicher aber weiß ich, dass ich auf dreieinhalb Partys war, hier in der Wahlheimat Leipzig, und von keiner wirklich zu sagen ist, dass sie scheiße war.
Wäre mir das im Superpößneck auch passiert? Ich glaube nicht! Ich denke eher, abgesehen von den wenigen Leuten, die es wahrhaft lohnt, sie besuchen zu gehen, wäre es fad und öd geworden. Oder die Bullen, Verzeihung, die werten Herren und Damen des Polizeiamtes hätten ihren „scheiße ich muss heute arbeiten Frust“ an unsereins ausgelassen.
Hier dagegen war es gänzlich anders. Sogar am eigentlichen Brennpunkt der jährlichen Silvesterfeiern, wo es in den letzten Jahren immer zu Ausschreitungen kam, dem Connewitzer Kreuz nämlich, war alles friedlich. Ein netter Uniformierter wünschte mir gar ein gesundes, neues Jahr! Fast war ich schon ein bisschen enttäuscht, rückt jene Geste mein Weltbild doch etwas weg vom düstren Licht, was die Freunde und Helfer angeht.

Inzwischen schreiben wir den sechsten Januar und allmählich fängt sich alles, so scheint es. Klar, es beginnt ein neues Jahr, und da braucht es schon einen Aufmacher.
Vogelgrippe ist Geschichte. Maul und Klauenseuche dahin. Schweinegrippe adé, hätte ich fast gesagt, doch da schleicht sich die Nachricht von zwei toten Deutschen durch die Medien, die wohl an dem Virus gestorben sein sollen. Das jedoch rückt in den Hintergrund angesichts der neuerlichen Misere in der „Lebensmittelindustrie“. Als hätten es die Macher von ZDF INFO gewusst, zeigen sie, schon seit geraumer Zeit angekündigt (nur, damit es nicht heißt „Ähhh… das haben die ja extra gemacht… genau deswegen“…), „We feed the world“. Eine wirklich mitreißende Doku, die ich nur jedem ans Herz, oder den Magen, das Gedärm… wie auch immer, auf jeden Fall will ich es legen, dahin nämlich, an genannte Organe.
Als hätten sie es also gewusst, schreit sich derzeit ein neuer Lebensmittelskandal durch die Sendeanstalten und Zeitungen. Dioxin vergiftetes Futtermittel. Daher vergiftete Nahrungsmittel, Tiere, die nun zuhauf getötet werden. Sinnlos getötet. Also noch sinnloser, als ohnehin schon. Angst und Panik, eine definitive Insolvenz und Eier, die nun ausschließlich zum Werfen benutzt werden. Das hätte sich heute gut angeboten:
Drei-Königs-Treffen meiner Lieblingspartei, der FDP. Der Akneprinz Westerwelle, ebenfalls eigentlich schon politisch insolvent, schreit sich die Gurgel aus dem Hals, dass er nur, und nur er, die scheiternde Partei noch retten kann und das ginge nicht mit Politik von Links und auch nicht mit Sozialdemokratie. Nein, Mr. Westerwave, saths no going! Schließlich brauchen wir die harte Hand der neoliberalen Wirtschaftsmarionetten. Sie einzig kann den Karren aus dem Dreck ziehen, der weswegen eigentlich nochmal so tief drin steckt?
Ich würde mich da nicht so heißer blöken, nicht dass da noch einer mit einem Bolzenschussgerät geeilt kommt, weil Sie, lieber Guido, mit einem rinderwahnsinnigen, Dioxin vergifteten, schweinegrippalen Schaf verwechselt werden. Obwohl Sie mich ja eher an eine Mischung aus einem Frosch im Glas und den Helden aus der „Unendlichen Geschichte“ erinnern.
Letzteres allerdings nur des Rufes wegen: „Hab Selbstvertrauen! Atreju! Hab Selbstvertrauen!“
Andererseits auch, das fällt mir gerade ein, wegen der Szene, als der Junge auf dem Baum vor der uralten Morla sitzt. Wie alle anderen und gar Teile Ihrer eigenen Partei, niest die Schildkröte den Helden immer wieder von dem toten, kahlen Gehölz, tief im Moor der Verdammnis. Er aber klettert unbeirrt immer wieder hoch, nur um zu erfahren, dass er nichts Wesentliches erfahren wird. Applaus und: „Hab Selbstvertrauen Guido! Hab Selbstvertrauen!“
Und während ich zum dritten Mal in Folge zu spät zur Arbeit komme, und das, obwohl ich schon das Auto einer Freundin hier habe und also wesentlich unabhängiger bin, schlittert der Leipziger Fußgänger übers Blitzeis, gewahr, sich jeden Moment ordentlich auf die Fresse zu legen, weil die Straßen zwar geräumt, die Bürgersteige aber nichts anderes sind, als Steilpisten direkt in die Chirurgie. Da bleibt nur zu sagen: „Hab Selbstvertrauen, Leipziger! Hab Selbstvertrauen!“

Sonntag, 2. Januar 2011

Mysterium 2010

Morgen zur Stunde Null ändern sich mal wieder die beiden Zahlen hinter der Zweitausend in der Jahresschreibung. Mit allem, was die pyrotechnische Industrie auf dem freien Markt anbietet, wird Zweitausendzehn davongejagt, und nicht wenige werden mir zustimmen, wenn ich sage: zum Glück!
Was für ein Scheißjahr, oder? Ich höre mich das so oft in den letzten zwölf Monaten sagen, wie wohl kaum zuvor. Und nicht nur mir ist die Zwanzig Zehn gehörig auf die Nerven geschlagen. Kaum ein Mensch, den ich kenne, und das sind wahrlich nicht wenige, die mir nicht zugestimmt haben und dies noch immer tun. Bei so Vielen wird das baldige Ehemalige in verdammt schlechter Erinnerung bleiben, dass einem schon ein bisschen mulmig werden kann, ob der offensichtlich mystischen Verwobenheit des Ganzen. Irgendetwas geht doch da nicht mit rechten Dingen zu. Mal ganz ehrlich jetzt: Wenn bei zwei Dritteln meiner Bekannten und Verwandten so gut wie alles schief ging, was nur schief gehen konnte, Rück- und persönliche Tiefschläge in einem Maß das Mark des Jeweiligen zum Beben brachten, kann doch etwas nicht stimmen. Unlängst wurde ich Zeuge eines Gesprächs zweier mir fremder Personen auf der Straße. Auch die beiden tauschten Erfahrungen aus und bestätigten, was ich schon von mir und aus dem Kreise meiner Lieben wusste. „Ich bin froh, dass das Jahr endlich vorbei ist. Das sagen so viele, die ich kenne.“ – hörte ich da die eine sagen.
Und wahrlich, das Mysterium Zwanzig Zehn nimmt glücklicher Weise bald ein Ende und es bleibt zu hoffen, dass die Elf Änderung bringt, es wieder bergauf geht, sich das Portemonnaie füllt, die Gesundheit sich stabilisiert und auch das restliche Chaos all der Kleinigkeiten sich ordnen lässt.
Und nicht nur im Kleinen hielt das Jahr die Menschen in Atem. Ein langer Winter, der bis in den Sommer hinein Deutschland frieren ließ, ersoff dann endlich irgendwann in den von ihm höchstpersönlich verursachten Überschwemmungen, während sich eine christliche Oberhäuptin besoffen hinters Steuer setzt und schlängelnd direkt in die Arme der Polizei fährt. Das hat ja gut gepasst, waren wir doch ohnehin dabei, die Kirche verachten zu lernen, ob der Missbrauchsfälle, die nach und nach bekannt und zu Hauf diskutiert wurden. Heraus kam dabei ja, außer viel Gewäsch und mehr obligatorischen, als wirklich ernst gemeinten Entschuldigungen diverser Täter und deren Vorgesetzen nun nicht viel. Eine lächerlich summierte Entschädigung in einem Topf, der einem einzigen Opfer ausgezahlt werden müsste, ist kürzlich durch die eigens gebildete Kommission beschlossen wurden, der mehr Verbrecher, als Geschädigte vorsaßen. Nicht einmal der Bekanntmachung des Ergebnisses durften die Opfer beiwohnen. Pfui ist da noch das harmloseste, was dazu zu sagen bleibt.
In Haiti bebt unterdes die Erde und reißt millionen Menschen in ein Schicksal, das bis zum heutigen Tag anhält. Kurz ist die Welt solidarisch, spendet und will helfen, aber irgendwann ist das Thema nun einmal ausgelatscht und also überlassen wir die Menschen sich selbst, schließlich waren wir freigiebig genug. Es muss ja auch mal Schluss sein mit dem leidigen Thema eines Landes, das der Deutsche auch nur deshalb halbwegs auf der Landkarte findet, weil er da gerne mal Urlaub machen will.
Lena sang uns zum Grand Prix Sieg und stellt dabei auch gleich die heimliche Hymne zum Rekordsommer, während der sympathische Wettermann nun maximal seinen Mithäftlingen etwas von Kumuluswolken und Gewittern erzählt. Wahrscheinlich aber sitzt er eher mit den Zellengenossen vorm Mini-TV und sieht zu, wie die deutsche Nationalmannschaft zum zweiten Mal Weltmeister der Herzen wird. Irgendwie höre ich hin und wieder seinen Spannemann sagen: „ich will dich kacheln man!“
Wenigstens ist er vor der Deutschen Bahn sicher, im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die einem Hitzekollaps erliegen, weil Klimaanlagen eher zur Absicherung des Gewissen, nicht aber der Gesundheit der Reisenden wegen installiert werden. Da macht es schnell den Eindruck, dem Unternehmen ginge es, wie Griechenland und später auch Irland und Portugal. Pleitegeier der europäischen Union. Buhmann ist das Volk, nicht der gemeine Verbrecher im Nadelstreifen und zahlen dürfen alle, nicht aber der Verbrecher im Nadelstreifen. Kurze Debatten, dann wieder Boni und weitermachen wie zuvor. Applaus du holde Wirtschaftskuh. Wir melken bis das Euter bis es faltig wird. Und die Milch saufen dann die Fetten!
Auch das geologische Gefüge des Landes wird vom Mysterium Zweitausendzehn in Mitleidenschaft gezogen. Dort ein Erdrutsch, da bricht ein Stück Berg weg, hier tut sich ein Krater auf, wo vorher noch geteerte Straße war. Na Prost Mahlzeit, denkt da der Ängstliche. War es nicht in diesem Film genauso? Bei „2012“ hat es doch auch damit angefangen, dass die Erde sich auftat?! Na wenn das kein Omen ist und die südamerikanischen Nostradamusse Recht behalten.
Einzig positiv bleibt mir in Erinnerung, dass die Republik, respektive das Volk sich langsam aber sicher seiner Macht bewusst wird und dem „Politbüro“ da oben mal gehörig die Meinung sagt. So geschehen in Stuttgart und entlang der Castorstrecke. Massen, die beginnen, sich der Bestimmung über ihre Köpfe hinweg zu erwehren. Auch, wenn das Ganze schnell kanalisiert ist, haben wohl gar Manche gemerkt, dass die eigene Person auf der Straße die Masse macht, die der Obrigkeit klar zu verstehen gibt, dass da einiges im Argen liegt. Selbige schickt natürlich ihre uniformierte Streitmacht, die prügelnd und mittels Einsatz von Wasserwerfern zweigen soll, wer hier der Herr im Hause ist. Dass die Exekutive nicht zimperlich ist, wissen ja viele von uns, aber diesmal waren es eben keine schwarz vermummten Autonomen Krawallmacher, die Opfer von Polizeigewalt und exzessiv- uniformierten –somit also legalisierten- Prügelattacken wurden, sondern Kinder, Rentner, und Tante Ingeborg von nebenan, die ja „eigentlich eher konservativ“ ist. Schade nur, dass die verlogenen Rechtfertigungsversuche der „Oberen“ nicht auf noch mehr Wut und Empörung stoßen, aber vielleicht kommt das ja noch.
Sicherlich habe ich hier jetzt einiges vergessen, aber im Fernsehen zeigt man ja dieser Tage Rückblicke noch und nöcher. Es ist also kein Problem, sich ZwanzigZehn noch einmal komplett in Erinnerung zu rufen. Im Gegenteil. Es wird eher ein Problem sein, nicht irgendwo auf „Die Bilder des Jahres“ zu stoßen.
Ich sage daher, Prost, und freue mich auf die Elf in tiefer Hoffnung, dass die Schnapszahl Besserung bringt.

Weihnachten 2010

Weihnachten. Der Morgen des vierundzwanzigsten zwölften zweitausendzehn. Ich sitze, zum ersten Mal in Ruhe, in meiner neuen Wohnung, trinke, zum ersten Mal in Ruhe, meinen morgendlichen Kaffee, benutze die neue, vom Chef gespendete Tastatur, überlege, wie die Bahn wohl mit dem neuerlichen Schneefallüberraschungswetter klar kommt und ob sie uns, mich und eine Bekannte, pünktlich und komplikationsfrei ins heimatliche Thüringen bringt.
Nun auch, da ich wieder in den Genuss komme, täglich dem TV-Treiben beiwohnen zu können, tue ich das natürlich. Nicht zuletzt, um euch mit meinen Gedanken zur Maschinerie der Verblödung unterhalten zu können (so ich das überhaupt zu tun imstande bin).
Und wie nicht selten ungewollt, schreien sich schon nach wenigen Minuten die ersten Zeilen in meinen Kopf, denn es ist ja, wie eingangs erwähnt, „Heiligabend“.
Mit einer DVBT Antenne empfängt man (hier) nur die öffentlich rechtlichen Sender, und eigentlich brauchts ja auch nicht mehr, denn der Schund der Privaten hat das Maß allen geschmacklichen Niveaus längst überschritten. Schade nur, wenn man genau darüber schreiben will und aber eben nicht konsumieren kann. Macht aber heute auch nichts, denn es ist mit Sicherheit kein anderes thematisches Programm, als auf ALLEN anderen Sendern.
Der heilige –ich will nochmal betonen: HEILIGE- Abend wird, bevor er überhaupt begonnen hat, schließlich sitzt der deutsche Normalbürger zu dieser Tageszeit gerade zum Mittagstische, bereits jetzt zelebriert.
Dornröschen und der Froschkönig passieren parallel die Hohlwege ARD und ZDF, auf Phoenix sucht ein Reporterteam allen Ernstes den Weihnachtsmann im russischen Grenzgebiet zu China, ARTE zeigt zwei Brüder in Italien, die irgendetwas mit irgendeinem, offensichtlich bekannten, Grippenspiel zu tun haben, man reist „Mit der Pferdekutsche durch Norwegen“ im WDR oder beobachtet das Treiben des roten Weightwatchers im gezeichneten Format im Kinderkanal. 3Sat zeigt Reportagen in Schleife, wie in verschiedensten Ländern Weihnachten gefeiert wird, und ich verzweifle nach zwei Minuten zappen.
Ob sich die Macher der Programme, die ja ohnehin irgendwie alle unter einer Decke stecken (bei den öffentlich rechtlichen), bewusst sind, dass es Menschen gibt, die diesen Tag so normal wie nur irgend möglich verbringen wollen, wozu auch gehört, nicht schon morgens mit dem Hafer einer längst verdrehten Geschichte belästigt zu werden?! Da hilft auch nicht, das Fenster zur Welt auszustellen, oder, mit den Worten Peter Lustigs zu sprechen: „Abschalten!“, und sich dem Radio zu widmen, denn auch hier klingt und dreht es sich in einer Tour ums offensichtlich einzige Thema. „Last Christmas“ vom scheinheterosexuellen Schmalzbarden muss ich nicht haben. Wenn ich wütend die Einrichtung demolieren will, geht das auch anders.
Mir kommt, ganz frei weg gesagt, langsam aber sicher, die Wurst quer, bei dem ganzen Scheiß. Es scheint, als wird das alles jedes Jahr schlimmer. Oder ist es nur so, dass man, je älter man wird, immer sensibler darauf reagiert? Vielleicht ergießt sich die Erträglichkeit der Thematik mit jedem Jahr in ein emotionales Behältnis, das irgendwann einfach randvoll ist und das Überlaufen dessen dann bewusster auf die Nerven schlägt? Ich hoffe nicht, denn dann wird es so sein, dass ich spätestens zwei Jahren Amok laufen werde. Auf einem Weihnachstmarkt, zwischen all den Bekloppten und Verkappten, die sich immer wieder aufs Neue dazu zwingen, Stress zu produzieren, der dann zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen wird und Anlass ist, sich über diesen aufzuregen, sich aber, weil ja freiwillig wiederum dazu zwingen, diesem Stress etwas Positives abzugewinnen, denn: das gehört ja zu Weihnachten und also und schließlich zum Fest der Liebe.
Eben. Das Fest der Liebe. Zelebriert zwischen nörgelnden und gestressten Menschen, die in der Vorphase zu Maschinen mutieren, um sich am vierundzwanzigsten Dezember aufatmend mit der gehassten Familie unter einem krüppligen Nadelbaum dermaßen die Kante zu geben, dass der Tag, dem all die Wochen vorher der Stress galt, schon am darauffolgenden vergessen wird, weil die alkoholbedingte Kurzzeitamnesie gnadenlos zuschlägt.
Ich für meinen Teil werde etwas tun, was sonst überhaupt nicht mein Ding ist: Ich passe mich dem an, verlasse in den nächsten Minuten meine Wohnung, um, der Bahn vertrauend, ins weihnachtliche Pößneck zu fahren, dort dem traditionellen, und über die thüringischen Landesgrenze hinaus bekannten, Lichterfest beizuwohnen, trinkend, versteht sich, anschließend den Gipfel des Festes zu erstürmen, die Bescherung nämlich und dann schauen, was sich mit dem angebrochenen Abend noch anfangen lässt. Prost!