Donnerstag, 7. April 2011

Menschen, Tiere und der Frühling römisch 2

Hatte ich da etwa den viel zu großen Rand, einen zweiten Teil von "Menschen, Tiere und der Frühling" zu versprechen? Gut war das nicht, denn nun sitze ich schon seit geraumer Zeit vor der weißen Seite und sinne nach Beginn und Ende, von der Mitte ganz zu schweigen und weiß verdammt noch eins nicht, wie ich das nun bewerkstelligen soll. Aber da es heißt "Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen" -das zumindest würde meine Tochter jetzt sagen- und ich mir für dieses Jahr mehr vorbildliches Verhalten vorgenommen habe, muss es ja sein und also versuche ich, den Anschluss zu finden an das Grauen im Hallenser Zoo.

Ich könnte noch berichten von dem Verzicht auf Essen, trotz zweier, im Duett knurrender Mägen, die den anmutenden Raubkatzen vor ihrem Gehege sicherlich imponiert hätten, da sie dem Gebrüll der ihren in nichts nachstanden. Und das alles nur, weil wir uns nicht dem vor dem Imbiss eins A aufgestellt wartenden Mob anschließen wollten, das Kindsgebrüll und das der genervten Eltern zu ignorieren versuchend, denn es wäre mit Sicherheit schlicht beim Verusch geblieben, der in einem Nervenzusammenbruch gegipfelt wäre.
Vadder giftet Mudder an, weil er zu Gunsten der soeben mit Zicklein quälen beschaftigen Balges und seiner Zufriedenheit herstellenden Sättigung mittels Pommes und fadem Schnitzel auf sein Bier verzichten muss, da der staatsgespendete Klingelbeutel nur noch Essen für drei und die Bahnfahrt zurück in die Kate im Budget hat, Oma Horst stampft ihren ihm vom Schicksal zugemuteten Pantoffelheldenanhängsel verbal in den sandigen Boden, weil der wie immer ningelnd sich nicht entschieden kann, ob nun nur Fleisch oder eben auch die Pommes Frites aus dem ehemaligen Feindesland und seines Zeichens Herberge seiner Kriegsgefangenschaft -Belgien-, denn wo käme er hin, zuzugeben, dass ihm die Kartoffelstäbchen doch eigentlich ganz gut schmecken. Und zwischendrin immer die diktatorischen Befehlsrufe viel zu genervter Eltern, die es justament bereuen, "jemals Kinder in die Welt gesetzt zu haben".
Kaum eine Minute brauchte es zu entscheiden, das Essenfassen anderenorts zu erledigen, sprachen unseren Mägen -und uns ganz besonders- Mut zu und verließen den Hort der "es ist schönes Wetter und wir MÜSSEN ja etwas machen, ob wir wollen oder nicht" Meute.
In Richtung Ausgang schlenderten wir weniger, als dass wir zügig selbigen suchten, noch immer auf der Flucht vor Dschasssdn und Tschulieeeeeeeeen und schlimmer noch, deren Eltern, Großelter und älteren Geschwistern.
Sicher glaubten wir uns auf der Treppe vor dem Zoo, setzten uns, atmeten auf und zogen genüßlich an unseren Zigaretten. Gleich sollte auch die Bahn kommen, die uns endgültig vom Wahnsinn dieses Tummelplatzes allerlei dummer und aufdringlicher Menschen und Menschinnen befreit. Allerdings entschieden wir uns ganz schnell um, warteten dann doch auf die nächste Tram, denn die Mischung aus der Kelly Family und den Flodders schob sich drohend, brüllend und heulend an uns vorbei und fand an der Haltestelle ihr Zwischenziel. Verzweifelt und den Tränen nahe blieben wir also sitzen, betrachteten uns dann doch in viel zu dicke Menschen in viel zu engen Gewändern, den nächsten Schub schon jetzt die Faxen dicke habender Klein- und Großfamilien, die nun in Scharen das arme Getier in den Käfigen hinter uns heimzusuchen gedachten.
Die Zeit schlich und ein großes Aufatmen war, als unsere Bahn kam, die zu unserer Freude und Erleichterung eher leer blieb, uns nach Hause brachte, wo wir erschöpft in unser Bett fielen.

Mein Fazit an dieser Stelle lautet: gern nocheinmal Zoo in Halle, wenn aber, dann an einem verregneten Wochentag.
In diesem Sinne: Prost!

Mittwoch, 6. April 2011

Menschen, Tiere und der Frühling

Menschen, Tiere und der Frühling

Der Frühling kündigt sich an in diesen Tagen. Und das tut er so ausgezeichnet, dass man fast geneigt ist, zu vergessen, wie lang und kalt der Winter war. Als ich am vergangenen Wochenende dem warmen Wetter nur in Shirt und Hemd gekleidet, der Sonne frönte, fiel es schwer, mir in Erinnerung zu rufen, dass noch vor zwei Wochen Minusgrade eine derartige Bekleidung den Aufenthalt an der so genannten frischen Luft arg unangenehm gemacht und zu schweren grippalen Infekten geführt hätten.

Da ist es kein Wunder, dass die werte Dame an meiner Seite und ich nicht die einzigen waren, die auf die Idee kamen, das schwer verdiente Geld sinnvoll zu investieren, indem wir uns eine Eintrittskarte für den Hallenser Zoo leisteten, um dort Wetter, Sonne und morgendliche Wärme gemeinsam mit allerhand Getier zu genießen.
Wofür wir allerdings am Ende wirklich Eintritt zahlten, wurde uns mit fortschreitender Zeit immer schleierhafter und es fiel zunehmend schwerer, die eigentlichen lebendigen "Exponate" hinter den Scheiben und Gittern, Mauern und Volieren von denen zu unterscheiden, die sich auf den Wegen und Plätzen davor tummelten. Ich wusste zeitweise wirklich nicht, wem mein betrachtendes Interesse mehr galt und wem es mehr Geltung zu schenken hieß.
Da haben wir uns schon kluger Weise recht früh aufgemacht, nicht in den Trubel des Pöbels zu gelangen, waren in den späten Morgenstunden bereits am Einlass und sahen uns mit nur wenig Exemplaren des menschlichen Mobs konfrontiert, atmeten auf und freuten uns ob dieser Tatsache. Doch wie sagte einst ein kluger Mensch? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben! Und es musste nicht erst Abend werden, festzustellen, dass dieser Spruch eine elendige Richtigkeit innehat.

Noch relativ ruhig ging es zunächst vorbei an beschuppten Lebewesen, die direkt neben mir, nicht getrennt durch Glas und Gitter, ich lieber nicht wähnen mag. Krokodile und Alligatoren lagen, wo sie lagen, störten sich weder an Kindsgebrüll noch daran, ständig begafft zu werden.
Und plötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, begann das Grauen. Eine mittlere Großfamilie betrat das Tropenhaus. Eine der Sorte, die man schon weitem hört und der Fluchtinstinkt sich sofort einstellt. Eine der Sorte, denen man ansieht, dass es hier mit Intellekt nicht weit her ist und die auch die dritte Generation eher geistig sparsam erzieht.
Ein Beben und Grollen durchfuhr die feuchtwarme Idylle und der Wahnsinn nahm seinen Lauf. Lautstark wurden Kinder in einem fort zur Raison gerufen, was ohnehin nicht viel nützte, denn die indirekt antiautoritäre Erziehung erlaubt es dem kindlichen Individuum nicht, dem, was Mutti und Vati, Omi und Opi da schreiend befehlen, Folge zu leisten.
Indirekt antiautoritär deshalb, weil zwar in militantem Rufton alles diktiert aber das Zuwiderhandeln konsequenzlos bleibt, sehen wir davon ab, dass der Geräuschpegel sich in Unermessliches zu heben vermag, beim Auftun der Dekrete.
Modische Namen wie Justin oder Jouline, die der gemeine Sachse auszusprechen eher unvermögend ist, bekommen dann einen ganz besonderen Klang, wenn es aggressiv gebrüllt zum Beispiel heißt: "Dschassssssdnnnn... geh weg von das Geländer, da sinn Grogodiläääää!" oder "Tschuulien, wennde jetzä nich uffhörst midd dänn Gequägle, griggsde noachn gee Eis!"
Mir dreht sich der Magen um und wir beschließen, das Betrachten der Reptilien vorerst bleiben zu lassen, obschon ich schon neugierig bin, ob der ningelnde Rotzlöffel nicht doch beim Versuch, sich über das Geländer zu lehnen, vorn übergestürzt dem Tierpfleger die Fütterarbeit für heute abnehmen konnte.

Aber auch gestandene Erwachsene vermögen es, dummes Zeug zu reden, als gäbs kein Morgen. Mit dem Wissen -eigentlich... sofern man ein gewisses Denkvermögen voraus setzt- sich gehörig zum Vollhorst zu machen, stehen da der Menschen vier, gut gekleidet und augenscheinlich nicht zur Gattung der Dummen gehörend, vor der Raubvogelvoliere und beäugen fasziniert den Geier, der sich da über das ihm soeben kredenzte Stück Fleisch hermacht.
Sie, etwa Mitte Zwanzig, im Arm einer Freundin selben Alters, findet den "stabilen Stand" des Vogels äußerst imposant. "Kuck doch mal, wie stabil der da steht. Der hat wirklich einen stabilen Stand. Das kommt auch so aus der Hüfte!" weiß sie zu erklären und schwenkt dabei die ihre als hätte sie jüngst einen Bauchtanzkurs für Anfänger absolviert. "Jaha, meint Mutti, oder Schwiegermutti, oder was auch immer "das stimmt. Ich mag ja eigentlich Geier, aber die Hälse finde ich eklig!" Na wie bitte? Die gute Frau ist Mitte-Ende sechzig und ich frage mich, wann sie das letzte Mal vor einem Spiegel stehend, sich kopfabwärts betrachtet hat?! Da ist der Hals dieses Geiers, ja, jeder Truthahnhals eine Augenweide dagegen. Aber Mensch hasst ja bekanntlich oftmals das an anderen Individuen am meisten, was ihn selbst an sich stört.
Erneut donnert und grollt es und Familie Harzt IV schiebt sich, Dschasssdnn und Tschuuulien als Spähtrupp, schreiend und aggressiver als noch eben, an uns vorbei. Mir will das Stück Apfel im Hals stecken bleiben, auf dass es bald vorbei sei, aber ich besinne mich, schlucke bitter und ungekaut, versuche wegzusehen, wegzuhören und an etwas Schönes zu denken.

Immer wieder begegnet uns diese Familie und auch, wenn wir grundsätzlich die entgegengesetzte Richtung einschlagen, sie scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, uns auch den letzten Nerv zu rauben.
In Sicherheit brachten wir uns dann vorerst auf der Treppe vor der großen Glasscheibe, durch die man den Robben beim Toben unter Wasser zuschauen kann. Wir ließen uns nieder, ich drehte mir eine Zigarette und wollte gerade die Ruhe genießen, die wir uns schwer und panisch flüchtend verdient hatten, als sich die Sonne, die mir den Rücken wärmend beschien, verdunkelte, als kündige sich schon jetzt die doch erst für 2012 angekündigte Apokalypse an und eine bebende Stimme dem treppab rollenden menschlichen Pfannkuchen von etwa 12 Jahren in feinstem sächsisch drohte: "Wenn de jetzä nich bald wordesd, drehmor um unn gehn wiedor heeme!"
"Aber Muddie, die gommen doch nich raus!" verteidigt sich das Kind, ich drehe mich um und sehe eine Masse von Mensch, dass ich mich frage, seit wann Wale sächsisch sprechen, überlege, ob ich das Meeressäugerbecken vielleicht nicht doch übersehen habe und warum um Gottes Willen dieses arme Wesen keiner rettet und zurück ins Salzwasserbassin verfrachtet.

Also erneut flüchten, vorbei am Imbiss und den Scharen hungriger, gestresster Eltern, die in feinster Ossi-Tradition Schlange stehen, um sich und ihren Bälgern Pommes rot-weiß mit einem Zuden Fleisch zu erstehen, die Jüngsten dabei beobachtend, wie sie im Streichelzoo in direkter Nachbarschaft Schaf und Ziege quälen, vorbei an Familie Hartz IV und den nun noch nerviger quengelnden Plagen Dschasssdn und Tschuuulien, vorbei an Geierhals und Bauchtanzschülerin in Richtung rettendem Ausgang.

Der Zoo in Halle, an einem Samstagmorgen im warmen Lenz. Weniger idyllisch, aber seinen Eintrittspreis wert!

In diesem Sinne: Prost!