Sonntag, 2. Januar 2011

Mysterium 2010

Morgen zur Stunde Null ändern sich mal wieder die beiden Zahlen hinter der Zweitausend in der Jahresschreibung. Mit allem, was die pyrotechnische Industrie auf dem freien Markt anbietet, wird Zweitausendzehn davongejagt, und nicht wenige werden mir zustimmen, wenn ich sage: zum Glück!
Was für ein Scheißjahr, oder? Ich höre mich das so oft in den letzten zwölf Monaten sagen, wie wohl kaum zuvor. Und nicht nur mir ist die Zwanzig Zehn gehörig auf die Nerven geschlagen. Kaum ein Mensch, den ich kenne, und das sind wahrlich nicht wenige, die mir nicht zugestimmt haben und dies noch immer tun. Bei so Vielen wird das baldige Ehemalige in verdammt schlechter Erinnerung bleiben, dass einem schon ein bisschen mulmig werden kann, ob der offensichtlich mystischen Verwobenheit des Ganzen. Irgendetwas geht doch da nicht mit rechten Dingen zu. Mal ganz ehrlich jetzt: Wenn bei zwei Dritteln meiner Bekannten und Verwandten so gut wie alles schief ging, was nur schief gehen konnte, Rück- und persönliche Tiefschläge in einem Maß das Mark des Jeweiligen zum Beben brachten, kann doch etwas nicht stimmen. Unlängst wurde ich Zeuge eines Gesprächs zweier mir fremder Personen auf der Straße. Auch die beiden tauschten Erfahrungen aus und bestätigten, was ich schon von mir und aus dem Kreise meiner Lieben wusste. „Ich bin froh, dass das Jahr endlich vorbei ist. Das sagen so viele, die ich kenne.“ – hörte ich da die eine sagen.
Und wahrlich, das Mysterium Zwanzig Zehn nimmt glücklicher Weise bald ein Ende und es bleibt zu hoffen, dass die Elf Änderung bringt, es wieder bergauf geht, sich das Portemonnaie füllt, die Gesundheit sich stabilisiert und auch das restliche Chaos all der Kleinigkeiten sich ordnen lässt.
Und nicht nur im Kleinen hielt das Jahr die Menschen in Atem. Ein langer Winter, der bis in den Sommer hinein Deutschland frieren ließ, ersoff dann endlich irgendwann in den von ihm höchstpersönlich verursachten Überschwemmungen, während sich eine christliche Oberhäuptin besoffen hinters Steuer setzt und schlängelnd direkt in die Arme der Polizei fährt. Das hat ja gut gepasst, waren wir doch ohnehin dabei, die Kirche verachten zu lernen, ob der Missbrauchsfälle, die nach und nach bekannt und zu Hauf diskutiert wurden. Heraus kam dabei ja, außer viel Gewäsch und mehr obligatorischen, als wirklich ernst gemeinten Entschuldigungen diverser Täter und deren Vorgesetzen nun nicht viel. Eine lächerlich summierte Entschädigung in einem Topf, der einem einzigen Opfer ausgezahlt werden müsste, ist kürzlich durch die eigens gebildete Kommission beschlossen wurden, der mehr Verbrecher, als Geschädigte vorsaßen. Nicht einmal der Bekanntmachung des Ergebnisses durften die Opfer beiwohnen. Pfui ist da noch das harmloseste, was dazu zu sagen bleibt.
In Haiti bebt unterdes die Erde und reißt millionen Menschen in ein Schicksal, das bis zum heutigen Tag anhält. Kurz ist die Welt solidarisch, spendet und will helfen, aber irgendwann ist das Thema nun einmal ausgelatscht und also überlassen wir die Menschen sich selbst, schließlich waren wir freigiebig genug. Es muss ja auch mal Schluss sein mit dem leidigen Thema eines Landes, das der Deutsche auch nur deshalb halbwegs auf der Landkarte findet, weil er da gerne mal Urlaub machen will.
Lena sang uns zum Grand Prix Sieg und stellt dabei auch gleich die heimliche Hymne zum Rekordsommer, während der sympathische Wettermann nun maximal seinen Mithäftlingen etwas von Kumuluswolken und Gewittern erzählt. Wahrscheinlich aber sitzt er eher mit den Zellengenossen vorm Mini-TV und sieht zu, wie die deutsche Nationalmannschaft zum zweiten Mal Weltmeister der Herzen wird. Irgendwie höre ich hin und wieder seinen Spannemann sagen: „ich will dich kacheln man!“
Wenigstens ist er vor der Deutschen Bahn sicher, im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, die einem Hitzekollaps erliegen, weil Klimaanlagen eher zur Absicherung des Gewissen, nicht aber der Gesundheit der Reisenden wegen installiert werden. Da macht es schnell den Eindruck, dem Unternehmen ginge es, wie Griechenland und später auch Irland und Portugal. Pleitegeier der europäischen Union. Buhmann ist das Volk, nicht der gemeine Verbrecher im Nadelstreifen und zahlen dürfen alle, nicht aber der Verbrecher im Nadelstreifen. Kurze Debatten, dann wieder Boni und weitermachen wie zuvor. Applaus du holde Wirtschaftskuh. Wir melken bis das Euter bis es faltig wird. Und die Milch saufen dann die Fetten!
Auch das geologische Gefüge des Landes wird vom Mysterium Zweitausendzehn in Mitleidenschaft gezogen. Dort ein Erdrutsch, da bricht ein Stück Berg weg, hier tut sich ein Krater auf, wo vorher noch geteerte Straße war. Na Prost Mahlzeit, denkt da der Ängstliche. War es nicht in diesem Film genauso? Bei „2012“ hat es doch auch damit angefangen, dass die Erde sich auftat?! Na wenn das kein Omen ist und die südamerikanischen Nostradamusse Recht behalten.
Einzig positiv bleibt mir in Erinnerung, dass die Republik, respektive das Volk sich langsam aber sicher seiner Macht bewusst wird und dem „Politbüro“ da oben mal gehörig die Meinung sagt. So geschehen in Stuttgart und entlang der Castorstrecke. Massen, die beginnen, sich der Bestimmung über ihre Köpfe hinweg zu erwehren. Auch, wenn das Ganze schnell kanalisiert ist, haben wohl gar Manche gemerkt, dass die eigene Person auf der Straße die Masse macht, die der Obrigkeit klar zu verstehen gibt, dass da einiges im Argen liegt. Selbige schickt natürlich ihre uniformierte Streitmacht, die prügelnd und mittels Einsatz von Wasserwerfern zweigen soll, wer hier der Herr im Hause ist. Dass die Exekutive nicht zimperlich ist, wissen ja viele von uns, aber diesmal waren es eben keine schwarz vermummten Autonomen Krawallmacher, die Opfer von Polizeigewalt und exzessiv- uniformierten –somit also legalisierten- Prügelattacken wurden, sondern Kinder, Rentner, und Tante Ingeborg von nebenan, die ja „eigentlich eher konservativ“ ist. Schade nur, dass die verlogenen Rechtfertigungsversuche der „Oberen“ nicht auf noch mehr Wut und Empörung stoßen, aber vielleicht kommt das ja noch.
Sicherlich habe ich hier jetzt einiges vergessen, aber im Fernsehen zeigt man ja dieser Tage Rückblicke noch und nöcher. Es ist also kein Problem, sich ZwanzigZehn noch einmal komplett in Erinnerung zu rufen. Im Gegenteil. Es wird eher ein Problem sein, nicht irgendwo auf „Die Bilder des Jahres“ zu stoßen.
Ich sage daher, Prost, und freue mich auf die Elf in tiefer Hoffnung, dass die Schnapszahl Besserung bringt.

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