Sonntag, 2. Januar 2011

Weihnachten 2010

Weihnachten. Der Morgen des vierundzwanzigsten zwölften zweitausendzehn. Ich sitze, zum ersten Mal in Ruhe, in meiner neuen Wohnung, trinke, zum ersten Mal in Ruhe, meinen morgendlichen Kaffee, benutze die neue, vom Chef gespendete Tastatur, überlege, wie die Bahn wohl mit dem neuerlichen Schneefallüberraschungswetter klar kommt und ob sie uns, mich und eine Bekannte, pünktlich und komplikationsfrei ins heimatliche Thüringen bringt.
Nun auch, da ich wieder in den Genuss komme, täglich dem TV-Treiben beiwohnen zu können, tue ich das natürlich. Nicht zuletzt, um euch mit meinen Gedanken zur Maschinerie der Verblödung unterhalten zu können (so ich das überhaupt zu tun imstande bin).
Und wie nicht selten ungewollt, schreien sich schon nach wenigen Minuten die ersten Zeilen in meinen Kopf, denn es ist ja, wie eingangs erwähnt, „Heiligabend“.
Mit einer DVBT Antenne empfängt man (hier) nur die öffentlich rechtlichen Sender, und eigentlich brauchts ja auch nicht mehr, denn der Schund der Privaten hat das Maß allen geschmacklichen Niveaus längst überschritten. Schade nur, wenn man genau darüber schreiben will und aber eben nicht konsumieren kann. Macht aber heute auch nichts, denn es ist mit Sicherheit kein anderes thematisches Programm, als auf ALLEN anderen Sendern.
Der heilige –ich will nochmal betonen: HEILIGE- Abend wird, bevor er überhaupt begonnen hat, schließlich sitzt der deutsche Normalbürger zu dieser Tageszeit gerade zum Mittagstische, bereits jetzt zelebriert.
Dornröschen und der Froschkönig passieren parallel die Hohlwege ARD und ZDF, auf Phoenix sucht ein Reporterteam allen Ernstes den Weihnachtsmann im russischen Grenzgebiet zu China, ARTE zeigt zwei Brüder in Italien, die irgendetwas mit irgendeinem, offensichtlich bekannten, Grippenspiel zu tun haben, man reist „Mit der Pferdekutsche durch Norwegen“ im WDR oder beobachtet das Treiben des roten Weightwatchers im gezeichneten Format im Kinderkanal. 3Sat zeigt Reportagen in Schleife, wie in verschiedensten Ländern Weihnachten gefeiert wird, und ich verzweifle nach zwei Minuten zappen.
Ob sich die Macher der Programme, die ja ohnehin irgendwie alle unter einer Decke stecken (bei den öffentlich rechtlichen), bewusst sind, dass es Menschen gibt, die diesen Tag so normal wie nur irgend möglich verbringen wollen, wozu auch gehört, nicht schon morgens mit dem Hafer einer längst verdrehten Geschichte belästigt zu werden?! Da hilft auch nicht, das Fenster zur Welt auszustellen, oder, mit den Worten Peter Lustigs zu sprechen: „Abschalten!“, und sich dem Radio zu widmen, denn auch hier klingt und dreht es sich in einer Tour ums offensichtlich einzige Thema. „Last Christmas“ vom scheinheterosexuellen Schmalzbarden muss ich nicht haben. Wenn ich wütend die Einrichtung demolieren will, geht das auch anders.
Mir kommt, ganz frei weg gesagt, langsam aber sicher, die Wurst quer, bei dem ganzen Scheiß. Es scheint, als wird das alles jedes Jahr schlimmer. Oder ist es nur so, dass man, je älter man wird, immer sensibler darauf reagiert? Vielleicht ergießt sich die Erträglichkeit der Thematik mit jedem Jahr in ein emotionales Behältnis, das irgendwann einfach randvoll ist und das Überlaufen dessen dann bewusster auf die Nerven schlägt? Ich hoffe nicht, denn dann wird es so sein, dass ich spätestens zwei Jahren Amok laufen werde. Auf einem Weihnachstmarkt, zwischen all den Bekloppten und Verkappten, die sich immer wieder aufs Neue dazu zwingen, Stress zu produzieren, der dann zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen wird und Anlass ist, sich über diesen aufzuregen, sich aber, weil ja freiwillig wiederum dazu zwingen, diesem Stress etwas Positives abzugewinnen, denn: das gehört ja zu Weihnachten und also und schließlich zum Fest der Liebe.
Eben. Das Fest der Liebe. Zelebriert zwischen nörgelnden und gestressten Menschen, die in der Vorphase zu Maschinen mutieren, um sich am vierundzwanzigsten Dezember aufatmend mit der gehassten Familie unter einem krüppligen Nadelbaum dermaßen die Kante zu geben, dass der Tag, dem all die Wochen vorher der Stress galt, schon am darauffolgenden vergessen wird, weil die alkoholbedingte Kurzzeitamnesie gnadenlos zuschlägt.
Ich für meinen Teil werde etwas tun, was sonst überhaupt nicht mein Ding ist: Ich passe mich dem an, verlasse in den nächsten Minuten meine Wohnung, um, der Bahn vertrauend, ins weihnachtliche Pößneck zu fahren, dort dem traditionellen, und über die thüringischen Landesgrenze hinaus bekannten, Lichterfest beizuwohnen, trinkend, versteht sich, anschließend den Gipfel des Festes zu erstürmen, die Bescherung nämlich und dann schauen, was sich mit dem angebrochenen Abend noch anfangen lässt. Prost!

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