Dienstag, 29. Oktober 2013

Wenn Kultur zum Gut wird

Was gibt es schöneres, als den heimischen Frühstückstisch im Wissen zu beräumen gleich mit der Mutti in die Stadtmitte aufzubrechen, das erste Bier spätestens dann geleert zu haben, wenn sonst eigentlich der viel zu harte Kloß in der viel zu laschen Sauce, mit dem viel zu zähen Stück Fleisch des lieben Friedens Willen herunter gewürgt wird. Heißa, Stadtfest ist und schon um die Mittagszeit litert der deutsche Michel den Gerstensaft sturzflutartig in Richtung Magengeschwür, als seis der letzte Tag im sonst so pflichtbewussten Leben. Nichts geht über einen gepflegten Vollsuff zum Nachmittag und vor allem dann, wenn der unter dem Deckmantel Kultur seine Berechtigung findet. Kultur ist Bildung. Traubenbildung am Bierwagen! Bildung spontaner Mitsingchöre böhmisch – blasmusikalischer Gassenhauer. „Heut saufen wir die Schwiegermutter, feierlich unter den Gabentisch“ wobei letzteres Wort nicht etwa an Weihnachten oder Geburtstag, denn eher an eine reich gedeckte Biergarnitur anspielen soll. Schick herausgeputzt verlassen Heerscharen von vernünftigen Deutschen die gewienerte Behausung um auf den örtlichen Marktplatz zu strömen, bestens gelaunt und „schnick schnack – zu Haus schon mal zwei Kurze gekippt“, denn Verglühen ist keine Erfindung der Flatrate – Sauf – Generation der nuller Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Kultur ist, wie schon erwähnt, Bildung. Für alle, die es sich leisten können. Einen Tag vor dem „Volk besäuft sich“ Ritual führt der Verein Pößneck attraktiver“ im Rahmen des jährlich stattfindenden Stadtfestes einen Kino Abend durch. Löblich. Wo vereint man besser alle Schichten und Altersklassen zu einem Event, als im Kino. Und wenn der gezeigte Film dann auch noch draußen zu sehen ist, Open Air, wie man heute sagt, mensch bequem auf dem mitgebrachten Campingstuhl sitzen, dabei rauchen und Bier trinken kann, na dann strömt das Volk zu Haufe und stört sich nicht daran, dass in der Vorankündigung kein Wort von Eintritt die Rede war. Die Geldbörsen sitzen locker und ohne Diskussion wird geblecht, dass die Kasse kracht. Und das ist zunächst weder verwerflich, noch schlecht. Kultur kostet Geld. Da steht die GEMA mit offenen Händen, grinsend und feixend und freut sich über jeden, der artig seine Gebühren bezahlt. Es ist nämlich nicht so, dass dem Menschen selbst überlassen wäre, für Kultur und Kunst zu bezahlen, was er bezahlen will, denn wer bezahlt, wenn auf freiwilliger Basis zu zahlen, die Veranstaltung auch kostenlos zu genießen ist. Da liegt auf der Hand, dass Kultur heutzutage leider falsch verstanden und aufgefasst wird. Geld kostet außerdem, die jeweilige Location - noch ein Anglizismus -, die Mitarbeiter Absperrmaßnahmen und und und. All das sehe ich vollkommen ein. Wie erwähnt, ist der Verein Pößneck attraktiver Veranstalter des Open Air Kinos. Ein Verein, dessen Vorstand sich aus nicht armen Leuten zusammensetzt. Ein Verein, der eng mit der Stadt zusammenarbeitet, an den Töpfen der Finanzierungen und im Stadtrat selbst vertreten ist und somit ganz bestimmt – das wage ich an dieser Stelle dreist zu behaupten – nicht auf Heller und Cent die Kasse lecken muss. Darüber hinaus ist es so, dass beim Planen der Veranstaltung kalkuliert und spekuliert wird und anhand der zu erwartenden Zuschauer der Eintrittspreis festgelegt werden könnte. Und mit hundert Leuten zu rechnen ist streng unter der Realität geplant, denn ganz sicher wird es eher das Drei- Vierfache sein. Jetzt aber kommt das große Aber. Pößneck soll wohl auch durch den Verein attraktiver werden, indem unattraktive Schmarotzer aufgrund ihrer sich selbst zuzuschreibenden finanziellen Situation ausgeschlossen werden. Ich kommentierte eben den Flyer auf der Social - Network Seite Facebook wie folgt: "noch attraktiver wäre es gewesen, statt fünf, fünfzehn Euro Eintritt zu nehmen, denn dann wäre nicht nur die Hälfte der interessierten Bezieher von Hartz IV am Einlass wieder retour gegangen, sondern alle! Ist ja auch Schwachsinn, KULTUR BEZAHLBAR zu machen!!!" ... Es kostet Überwindung, heut zu Tage, zuzugeben, dass man "Betroffen" ist und fasst man den Mut, dann glotzen schmalspurige Sprallhähne die mit der Abkassierung zur Finanzierung der KULTUR beschäftigt sind, von oben herab und feixen sich ein zweites Loch in den breitgessenen Arsch... mit attraktiv hat das weniger zu tun, denn eher mit arroganter Widerwärtigkeit. So sollte der Vereinsname vielleicht in "Pößneck kommerzieller", oder "Pößneck arroganter", oder "Pößneck? Bleib fort" umbenannt werden! ... „ Ich veröffentlichte diesen Spruch auch auf meiner Seite und das war gut so, denn schon einen Tag später war nicht etwa eine heiße Diskussion vom Zaun gebrochen, in der ich argumentativ angegriffen werde, ob meiner harten Worte vielleicht, oder ob der nicht bedachten Refinanzierung durch die Eintrittsgelder, oder ob der Beleidigung des kassierenden Duos am Einlass, nein, der Spruch war schlichtweg gelöscht worden. Keine Verteidigung, keine Beleidigung, kein Anhalten zu etwas mehr Niveau, nur stilles Ignorieren und feiges, kritikunfähiges Leugnen. Im Grunde war es meine Absicht, eben durch die harte Wortwahl zur Diskussion anzuregen. Durch Provokation in Diskurs. Da hab ich mich wohl ordnungsgemäß tief geschnitten. Offensichtlich sind die Damen und Herren des Vorstandes gewohnt, Kritik auf dem Silbertablett gereicht zu bekommen. Kritik ist nämlich keine Sache der absoluten Ehrlichkeit, sondern sollte wie Zucker in den Allerwertesten geblasen und fein verpackt als reduzierte Dosis verabreicht werden. Das ist nämlich auch eine Form der Kultur. Gesprächskultur. Immer schön verblümt und heuchlerisch grinsend, wohlwollenden Tonfalls und selektierter Wortwahl das anbringen, was eventuell, unter Umständen, gegebenen Falles, vielleicht ein kleines bisschen schlecht war. Herabwürdigende Kritik und ironisches Sprachspiel sollte denen vorbehalten bleiben, die sich ihr Urteil mit Fug und Recht, weil arbeitend und wohl verdienend, über die Asozialen Hartz IV Empfänger erlauben können. Nebenbei bemerkt gibt es eine Menge Menschen, die trotz Lohnarbeit und Steuerpflicht die staatliche Stütze benötigen, aber das scheinen die vielen RTL verseuchten (Dumm-)Köpfe nicht zu wissen. Wie auch, wenn man seine Bildung aus der BILD hat. So also lasst uns Kultur nennen, was das Volk beruhigt, was dem Volk das Opium gibt, das es braucht. Lasst uns Kultur nennen, was blechblasmusibegleitetes Massenbesäufnis ist, oder eine Fahrt auf der Marianne FreudenBerg und Talbahn und bitte: keine Provokationen mehr.

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